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Zur Lage der Nation

■ Am Freitag beginnt das erste spanische Kulturfestival: Mit einer Almodóvar-Werkschau, Theater, Musik und Eduardo Mendoza als Stargast

Das Instituto Cervantes, kaum gegründet, war in letzter Zeit nahe dran an dem, was Direktor Ignacio Olmos eine „psychologische Depression“ nennt. Der Grund für die Verstimmung: das spanische Kulturinstitut platzt aus den Nähten. „Die Hälfte der Bremer scheint spanisch lernen zu wollen“, sagt Olmos. Über 700 Lernwillige haben sich allein im letzten Quartal 1995 angemeldet. Zusätzliches Lehrpersonal mußte eingestellt werden. Resultat: Madrid hat die meisten Spanien-Institute mit Sparauflagen belegt, das Instituto Cervantes in Bremen nicht. Ein voller Erfolg für Olmos und eine Gelegenheit, sein Land einem größeren Publikum vorzustellen: „die guten wie die schlechten Seiten“. Ein authentisches Image von Spanien, jenseits von Siesta, Fiesta, Paälla und Stierkampf, soll „Escenarios de la modernidad“ liefern, das erste Spanische Kulturfestival in Bremen. Wobei „escenario“ mit Schauplatz, Drehort, Szene oder Tatort zu übersetzen ist.

Filme, Theater, Musik, Lesungen, Ausstellungen und Kulinarisches – das Programm des neuntägigen Festivals hat einiges zu bieten. Zum Beispiel eine umfassende Werkschau des spanischen Aushänge-Filmers Pedro Almodóvar. Sieben Produktionen des Regisseurs (löblicherweise allesamt untertitelte Originalfassungen) mit dem Hang zu grellen, abseitigen Leidenschaften sind zu sehen, darunter sein schon abgeklärt zu nennendes neuestes Werk, „La flor de mi secreto“ („Mein blühendes Geheimnis“). Ein stimmiges Porträt einer Bestseller-Autorin, die von einer seltsamen Sucht loskommen will: ihrem Drang zu Romanen, in denen sich Herz immer auf Schmerz reimt.

Fünf Bremer Erstaufführungen wird es geben: darunter Julio Medems mehrfach ausgezeichneter Film „La ardilla roja“ („Das rote Eichhörnchen“), „Romance de valentía“ („Eine Ballade von der Tapferkeit“), eine Dokumentation über den Stierkampf aus weiblicher Sicht oder „Salto al vacío“ („Sprung ins Leere“) von Daniel Calparsoro, eine Anti-Idylle mit Kampfhunden, Drogen, Waffen und allerhand Vorort-Gewalt. Aus dem Kriegswinter 42/43 in Madrid noch poetische Momente zu destillieren, schafft hingegen Mario Camus' „La colmena“ („Der Bienenkorb“), 1983 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Camus' Kammerspiel konzentriert sich auf das schmucke Madrider Café „La Delicia“, wo alle Hoffnungen – auf Liebe, auf Geld, auf Wärme oder bloß ein Glas Wasser – zusammentreffen. Arme Dichter, Hochstapler, einsame Damen, Schuhputzer, Kriegsgewinnler, Spieler, Huren. Man trifft sich im „Delicia“, weil man sich treffen muß, um den Krieg vor der schönen Schwingtür zu lassen.

Als Stargast des Festivals darf Eduardo Mendoza gelten, Literat und Übersetzer aus Barcelona. Mendoza eröffnet am Freitag mit einer Lesung aus seinem Roman „La verdad sobre el caso Savolta“ („Die Wahrheit über den Fall Savolta“) das Festival. Tags drauf steht die Verfilmung Mendozas Roman von 1976 auf dem Programm. Zum 50. Jahrestag der Uraufführung von Lorcas „Bernarda Albas Haus“ zeigt das Festival ein Gastspiel der Alanus Hochschule für dramatische Kunst in Alfter. Außerdem ist das Teatro Comedia Musical in Person von Erwing Rau und Alvaro Solar mit zwei Versionen des „Don Quijote“ präsent: einer in deutscher, einer in spanischer Sprache. Zu Gast im Instituto Cervantes ist auch die 29jährige, schon mehrfach preisgekrönte Schriftstellerin aus Galizien, Luisa Castro. In einer zweisprachigen Lesung berichtet sie „aus der Welt der Tiere, der Kinder und der Seeleute“.

„Wasser, bleibt fern!“ heißt biblisch-archaisch ein „literarischer Streifzug durch die Weinkultur Spaniens“ im Café 46, wo Tapas und Regionalküche bereitstehen werden und – solange der Vorrat reicht – eine Pfanne Paälla.

„Keine sechsstellige Summe“ stand den Veranstaltern – neben dem Instituto Cervantes das Kino 46, Medienzentrum und Literaturkontor – zur Verfügung. Schließlich sollte es eigentlich im März, wie schon in den Jahren zuvor, ein Bremer Filmfest mit Schwerpunkt Spanien geben, doch dafür hat der Etat von Kultur- und Wirtschaftsbehörde nicht gereicht. So traf es sich – fast zu schön, um wahr zu sein –, daß das Instituto gerade seine Pforten in Bremen öffnete und zu einer Kooperation zur Verfügung stand. Ein „Risiko“ bleibe es gleichwohl, eine Veranstaltung dieser Größenordnung auszurichten, meint Alfred Tews vom Kommunalkino. Alexander Musik

8.-17.3., im Kino 46, Schauburg und Instituto Cervantes. Dauerkarten für die Filme im Kino 46 32 Mark, einzeln 8 Mark.

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