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Nöte kleiner Betriebe professoral gelindert

■ Handelskammer läßt die mittelstän-dische Wirtschaft auf die Wissenschaft los

Kleine und mittelgroße Unternehmer stehen immer noch viel zu oft mit Angst vor der Schwelle zum Elfenbeinturm. Ihre kleinen Sorgen in ihrem kleinen Betrieb könnten doch unmöglich „professoral“ sein, glauben viele. Sie scheuen deshalb, bei den Forschungsinstituten der Universität Rat zu suchen. Außerdem schreckt sie der Papierkrieg um die Fördermittel. Andererseits forschen viele Wissenschaftler, ohne sich um die Nöte der Praxis zu kümmern.

Mit einer Initiative „Wirtschaft trifft Wissenschaft“ will die Handelskammer nun den Dialog zwischen acht praxisbezogenen Forschungsinstituten und kleinen Bremer Firmen erleichtern. Bis zum Dezember öffnet jeden Monat ein Institut seine Pforten für interessierte Unternehmer. „Intensive Begegnung“ sei das Ziel, so Kammer-Vizepräses Walter Messerknecht: „Wir müssen die Kollegen verständlich ansprechen. Der Kaufmann möchte nicht nur über die Technik staunen, sondern etwas Konkretes für seinen Betrieb mitnehmen“.

Mit ihrem Angebot hat die Kammer offenbar den Bedarf getroffen: 86 Unternehmen hatten sich zur ersten Runde angemeldet. Prof. Otthein Herzog stellte im Schütting das Technologie-Zentrum Informatik (TZI) vor. Nach dem TZI sind das Bremer Institut für angewandte Arbeitswissenschaften (BIBA) und die IWT - Stiftung für Werkstofftechnik an der Reihe.

Im TZI sind seit kurzem die Aktivitäten zur Entwicklung von Computer-Software an der Uni gebündelt. In der Programmierungs-Branche würden zur Zeit Wachstumsraten von bis zu acht Prozent verzeichnet, betonte TZI-Chef Herzog. „Wenn irgendwo neue Arbeitsplätze entstehen, dann dort“.

Den regionalen Unternehmen könnten die TZI-Forscher mit der gesamten Palette der Informatik unter die Arme greifen, so Herzog. Die räumliche Nähe sei für regionale Firmen, die theoretisch ihre Software auch in Kalifornien oder Indien produzieren lassen könnten, ein großes Plus: „Wir können hier die Bedürfnisse und Organisation der Betriebe berücksichtigen“, sagt der Professor. Für die Forscher lohnt sich die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft: Herzog will in diesem Jahr fünf Millionen Mark an Drittmitteln einwerben.

BIBA-Chef Professor Franz Josef Heeg bietet kleinen Unternehmen Hilfe an, neue Prozesse für ihre Produktion einzuführen und als Folge davon auch ihre Arbeitsabläufe neu zu organisieren. Es gehe darum, die Schlagworte aus dem Manager-Deutsch wie Lean production und Lean management nach den Bedürfnissen der Firmen auszufüllen. Die Unternehmen müßten auch davor bewahrt werden, vor lauter Innovationsfieber ohne Rücksicht auf die Marktchancen ihrer Produkte vorzupreschen.

Die Bremer Unternehmer zeigten sich gestern im Schütting durchaus angetan von der Initiative der Kammer: „Wir wollen mal sehen, wo es für uns einen Know-How-Transfer geben kann“, sagte René Benkenstein von der Software-Firma EFK. Einen Überblick über deutsche Innovationen auf dem Gebiet der Datenkommunikation erhofft sich ein Großhändler. Wenn er hier von etwas Neuem erfahre, könne er diese Produkte durchaus in sein Programm aufnehmen, so Jens Hansemann von Syntec. Auch Bernd Friedrich Meyer, Mitinhaber der Firma Pneutex, die mit 20 Leuten Kunststoffe zur Dachabdeckung herstellt, sucht das erste Mal Kontakt zur Wissenschaft. Besonders die Werkstofftechniker vom IWT könnten ihm vielleicht weiterhelfen, hofft der Unternehmer.

Die Wissenschaftler wollen aber noch mehr über die Nachfrage der Unternehmen erfahren. Um den Informations- und Technologiebedarf zu ermitteln, arbeite das TZI zur Zeit an einer Studie, sagt Otthein Herzog. „Wo Bedarf besteht, da werden wir uns hinorientieren.“ jof

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