In zwei Minuten mehrere tausend Becher Bier

■ „Bekanntestes niederländisches Produkt“: Wie Ajax Amsterdam mit neuer Arena und Rundumvermarktung die Zukunft sichern will – EU-Urteil hin oder her

Amsterdam (taz) – Unter dem Emblem des griechischen Gottes Ajax läßt sich in Amsterdam und in den Niederlanden alles verkaufen. Die Amsterdam-Arena, die am 1. August eingeweiht werden soll, ist bereits jetzt für die Saison 1996/97 komplett ausverkauft. Innerhalb weniger Tage waren die etwa 46.000 zur Verfügung stehenden Saisonkarten an den Mann oder die Frau gebracht. Zu den Spielen der niederländischen Ehrendivision der kommenden Saison gibt es jetzt nur noch das für die Gäste bereitstehende Kontingent.

„Ajax ist das bekannteste niederländische Produkt zur Zeit“, verkündete Uri Coronel, zuständig für Marketing und Geschäftliches im Unternehmen Ajax, das neben 30 Profifußballern noch weitere 30 Angestellte zählt. Im Jahr des Europa-Cup-Gewinns stieg der Jahresumsatz von geplanten 22 Millionen Mark auf mehr als 35. Und für die laufende Saison rechnet man – vorsichtig – mit mehr als 60 Millionen Mark.

Ajax ist im Ausland bekannter als Philips oder Unilever, die beiden größten niederländischen Industrieunternehmen. Da fühlt sich auch die honorige ABN/AMRO- Bank als Trikotsponsor (pro Jahr etwa 3,5 Millionen Mark) ausgesprochen wohl. Inzwischen gibt es mehr als 300 Artikel, die mit dem Ajax-Logo werben dürfen. Man muß es sich vergegenwärtigen: Nur 8.000 ZuschauerInnen wollten vor sieben Jahren Ajax sehen. Heute sind es im Schnitt 24.000. Im neuen Stadion werden es dann knapp 50.000 sein.

Das neue Stadion, in dem neben Fußball auch Popkonzerte und andere Großveranstaltungen stattfinden sollen, wird das erste „abschließbare“ Fußballstadion in Europa sein. Die Business-Plätze und Skyboxen sind bereits ausverkauft. Noch bevor ein Ball getreten ist, erhält Ajax mehr als zehn Millionen Mark. Pro Jahr. Die Brauerei Grolsch kommt mit einer Wahnsinnsabfüllanlage: Eine vierstellige Zahl von Bechern Bier kann innerhalb von zwei bis drei Minuten gefüllt werden. Ein Graus für den Bierkenner: Aber die Halbzeitpause ist eben nichts für Genießer, sondern etwas für Biertrinker.

Nachdem sie in ganz Europa als wegweisend gefeiert wurde, ist die Nachfrage aus dem Ausland, die Jugendfußballschule von Ajax kennenzulernen, so groß, daß Chefscout Tonnie Pronk und Jugendcheftrainer Co Adriaanse speziell dafür ein Symposium veranstalten, Thema: jeugdopleiding bij Ajax – Jugendfußballausbildung bei Ajax. Und Leon van Vuuren, Besitzer des Ajax-Fanshops am berühmten Middenweg in Amsterdam, muß Fans, die das klassische Original-Ajax-Trikot haben wollen, vertrösten.

Wie es weitergeht? „Ajax The Champ“ war unlängst ein Namensvorschlag auf dem Amsterdamer Einwohnermeldeamt. Mit Nachdruck zeigten die Ajax-Fans bei den Feierlichkeiten für Meisterschaft und Europacup-Sieg den mehr als eine Million jubelnden Amsterdamern mit Stolz ein Riesentransparent mit der Aufschrift „Das war erst der Anfang“.

Ob das stimmt, ist in den letzten Tagen viel diskutiert worden. Die Liste mit den Spielern, die das Bosman-Urteil und seine Auswirkungen zu anderen Vereinen führen soll, ist längst erstellt: Edgar Davids, Michael Reiziger, Nwanko Kanu stehen darauf, Finidi George samt Bruder, und Patrick Kluivert soll einen Vorvertrag mit Mailand haben; abwechselnd mit Inter und dem AC. „Dieses Urteil“, sagte Louis van Gaal dem kicker, „bereitet uns viele Schwierigkeiten. Wir spielen auf höchstem Niveau, also stehen unsere Spieler im europäischen Schaufenster. Und wenn die Verträge auslaufen, gehen sie.“

Andererseits muß das nicht das Ende bedeuten. Heuer sind wieder drei junge Leute zum Aufgebot gestoßen: Kiki Musampa (18), Martijn Reuser (20) und Nordin Wooter (19). Anstatt das Geld wie die anderen für spektakuläre Neueinkäufe auszugeben, investiert Ajax in die eigene Zukunft. Mit den Millionengewinnen aus der Champions League entsteht ein neuer Jugend- und Trainingskomplex. Egon Boesten