Wächter der Seegräber

■ Hapag-Lloyd-Chef Bernd Wrede ruiniert die deutsche Seeschiffahrt

Nadelstreifen? Ja bitte! Niete? Aber nicht doch! Der geborene Hanseat und gelernte Diplomkaufmann Bernd Wrede, seit Juni 1993 Chef des Mischkonzerns Hapag-Lloyd AG, zählt zu den Perlen seiner Zunft: Seit er 1982 als Quereinsteiger gleich auf der Steuerbrücke der größten deutschen Traditionsreederei anheuerte, mischt der hochintelligente Macher die verstaubten Hallen am Hamburger Ballindamm mächtig auf. Maritime Tradition? Pustekuchen: Von den Anteilseignern (u. a. Deutsche und Dresdner Bank, Kaufhof, TUI, Veba) als Finanzchef und Controller engagiert, um den Konzern aus der Krise zu lotsen, in die er durch den ehrgeizigen Ausbau zum „integrierten Transportkonzern“ geraten war, setzt Wrede auf knallhartes Renditedenken – und hat Erfolg. 1994 erlebte der Konzern das profitabelste Jahr seiner Geschichte.

Anders als Schrempp bereitet der umgängliche Wrede seine Schlachtfeste zwar kompromißlos und dialogfrei, aber äußerst präzise vor. Anerkennend erinnert sich Helmut Pommerenck, langjähriger Seebetriebsratsvorsitzender: „Wredes rigide Finanzpolitik, die jede Rationalisierung favorisierte, war verpackt in gut vorbereitete Konzepte. Es ging meist ziemlich leise und reibungslos.“ Lloyd-Werft, Schlepperflotte und Hafenbetriebe wurden abgestoßen. Die strategische Wende vom maritimen Konzern mit Werft, Reederei und Hafenumschlag zum Touristikunternehmen mit Reisebüros, Luxusliner, Flugflotte und einem kleinen Profitcenter mit bald wohl gänzlich ausgeflaggten Containerschiffen, erfolgte in kleinen Schritten.

Aber Wredes geradezu säkulare Leistung ist das systematische Abwracken der deutschen Seeschiffahrt. Von 1982 noch fast 3.000 Arbeitsplätzen für deutsche Seeleute sind bald nur noch 250 übrig – obwohl die Linienschiffahrt Gewinne einfährt.

Seit Hapag-Lloyd seine Schiffe in Korea bauen läßt, eins nach dem anderen ausflaggt und demnächst allenfalls noch Schiffsoffiziere mit deutschem Paß einstellt, ist es mit der jahrhundertealten maritimen Tradition vorbei. Florian Marten