Mit schöner Regelmäßigkeit neben den Mainstream

■ betr.: Teenieklatsch und Heavy Metal“, taz vom 29. 2. 96

Wenn eines an Deinem Jubel- Artikel unwidersprochen bleiben kann, dann gewiß die Überschrift, die den Nagel wohl auf den Kopf trifft. Aber: Wenn wir auf dem Schrottplatz „Berliner Rundfunkmusik“ noch brauchbares Metall finden, so muß es doch nicht gleich Gold sein. Selbst wenn Herr Lehnert nur mehr um den Status quo fürchtet („Niveau halten“), gilt doch grunddsätzlich, daß Kritik jedes, noch so wacklige, Projekt nur stärken kann: „solange denn die Blech-Redefreiheit gewahrt bleibt“.

Mit täglich (!) drei (!) Stunden Nachtgespräch hat sich Fritz, das Ereignis-Radio, eindeutig übernommen: diese Masse an Stunden macht den Blue Moon langsam, aber sicher zum Nichtereignis (und behaupte mir jetzt keiner frech, gerade dieser Effekt sei beabsichtigt); die Moderatorenstimmen, von denen ich fast jede einzeln gerne höre, gleichen sich an (der Kuttner-Stil färbt ab, sorry, Kollegen); Themen sind weitgehend verpönt („Captain Blödel, übernehmen Sie!“); und wo bleiben die Mädels, die Frauenstimmen?!

Zugegeben: Musikalisches Abweichlertum bemißt sich für mich leider immer noch daran, ob wenigstens einmal im Quartal eine Captain-Beefheart-Platte gespielt wird, was bisher immerhin beim „Sprechfunk“ gesichert schien. Ob, unter uns Bogenschützen, mit Death Metal und Ramones die Saite bis zum Zerreißen gespannt ist, kommt wohl auf den Versuch an... (viel Glück dabei weiterhin, Trevor!).

Und: Die Toten Ärzte, ähh, Hosen explizit zu Testamentsverwaltern des Punk zu bestellen paßt so aufs Auge wie, öhh, Jeff Koons Warhol den Zweiten zu nennen. Es muß gesagt werden: Die Zwischenmusiken im (wohlgemerkt) ORB-Nachmittagsprogramm treffen mit schönerer Regelmäßigkeit neben den Mainstream.

Wenn es denn stimmt, daß die „Generation“ der Moderatoren und die der Zielgruppe nicht ganz kongruent sind, darf das nicht zu etwas Irritation beim jugendlichen Hörer führen, zu etwas mehr Ohrenschlenkern? Waldo Ellwanger