piwik no script img

Die rote Hochburg Nürnberg wankt

■ Der SPD-Spitzenkandidat ist unangefochten, die Partei jedoch nicht

Nürnberg (taz) – „Die Zukunft Nürnbergs ist rot-grün“. Mit dieser Feststellung bringt Oberbürgermeister Peter Schönlein (SPD) seinen CSU-Kontrahenten Ludwig Scholz auf die Palme. „Das Märchen von der roten Hochburg ist am 10. März zu Ende“, tönt der trotzig zurück. Doch wie alle seine CSU-Vorgänger scheint auch der blasse Rechtsanwalt bei der Kommunalwahl am Sonntag auf der Nase zu landen. In Umfragen rangiert er abgeschlagen hinter dem seit 1987 amtierende Lateinlehrer Schönlein. Ein Trost für Scholz: die CSU hat alle Chancen, zum ersten Mal seit 1946 stärkste Kraft im Nürnberger Stadtrat zu werden.

Dabei hat die SPD, die seit 1946 die Geschicke der Stadt bestimmt und die letzten vierzehn Jahre zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen die Mehrheit im Stadtrat stellt, keine schlechte Bilanz aufzuweisen. Der Ausbau von U-Bahn und Messe geht voran, neue Gewerbegebiete wurden ausgewiesen, das Güterverkehrszentrum im Hafen ist in Planung. In dem einstigen industriellen Herzen Bayerns wurden zwar in den letzten drei Jahren 20.000 Stellen abgebaut, die Arbeitslosenrate liegt bei elf Prozent, doch bei den Bemühungen, die Region zum Kompetenzzentrum für neue Verkehrstechnologien zu machen, brachte man immerhin BMW, Diehl, Daimler-Benz und Siemens an einen Tisch. Die Altstadt wurde verkehrsberuhigt, bundesweit gilt Nürnberg als sicherste Großstadt Deutschlands und mehrere große Sparrunden verhinderten die Zahlungsunfähigkeit der Stadt. Mit der Verleihung des ersten Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises an Sergej Kowaljow im September 1995 präsentierte sich Nürnberg weltweit als „Stadt des Friedens und der Völkerverständigung“. „Nürnberg hat Engstirnigkeit, Kleinkariertheit und Intoleranz nicht verdient“, argumentiert der „waschechte Nürnberger“ Schönlein gegen den CSU-Kandidaten und stellt auf Wahlplakaten seinen „Stolz auf das liebenswerte und lebenswerte Nürnberg“ zur Schau.

CSU-Mann Scholz dagegen malt die Stadt in den schwärzesten Farben. Angesichts der großen Arbeitsloigkeit und der hohen Pro- Kopf-Verschuldung von 3.000 DM habe das rot-grüne Bündnis ökonomisch versagt. Er beklagt, daß man in Nürnberg einen „kaschierten Feldzug gegen das Auto“ führe und will „mehr Sauberkeit in der Stadt“. Das Jugendzentrum „KOMM“ sei nach wie vor ein „Schandfleck an der Eingangspforte der Altstadt“ und müsse ebenso weg wie der „rote Filz“. Unterstützung holte sich Scholz von der Frankfurter CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth, die vorgeführt habe, „wie man ein rot- grüne Bastion knackt“ und auch von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber. Doch als der in das Messezentrum kam, verloren sich dort gerade mal 200 Parteifreunde und Sympathisanten.

„Wir müssen die SPD so klein halten, daß die mit den Grünen nichts mehr anstellen können. Es wird nur mit uns was gehen,“ lautet das Ziel der CSU. Solche Äußerungen nähren Spekulationen auf eine Große Koalition. Doch die wird von der SPD ausgeschlossen, schließlich will man der CSU nicht zur historischen Wende verhelfen. Man hat sich auf die Grünen festgelegt. Die erwarten einen Stimmenanteil zwischen 12 und 17 Prozent. Bernd Siegler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen