: Der Paragraph 19 des Ausländergesetzes Warum die Flucht ins Frauenhaus zu Abschiebung führen kann
Im Gegensatz zu deutsch-deutschen Ehen müssen AusländerInnen mit ihren in der BRD lebenden Partnern vier Jahre lang in einer Wohnung zusammenleben, bevor die Ehe amtlich als vollzogen gilt. Erst dann wird eine eigenständige Aufenthaltsgenehmigung erteilt.
Der Paragraph 19 des Ausländergesetzes wurde 1991 als Bollwerk gegen die „Scheinehen“ geschaffen. Leidtragende sind zumeist die Frauen: Ob aus Asien vermittelt oder aus der Türkei eingeheiratet sind sie auf eine funktionierende Ehe angewiesen. Oder sie werden abgeschoben.
Vier Jahre sind die zugezogenen Menschen völlig von ihrem Ehepartner abhängig. Oft nicht nur wegen der Aufenthaltsgenehmigung, sondern auch finanziell, kulturell und sprachlich.
Auch die in der BRD ansässigen Partner sind starken Belastungen ausgesetzt. „Ich mußte ein Papier bei der Ausländerbehörde unterschreiben, in dem ich mich verpflichtete, für meinen Mann in jeder Hinsicht geradezustehen. Diese Belastung hat mich fast erschlagen“, berichtet Gülcan, die vor drei Jahren ihren Ehemann aus der Türkei in die BRD holte. Zusätzliche Belastungen seien für sie die Probleme ihres Mannes bei der Orientierung in unserer Kultur und seine sprachliche Abhängigkeit gewesen.
Im Rahmen der Familienzusammenführung kommen zumeist Frauen in die BRD, folglich sind sie am häufigsten Opfer des berüchtigten Pararaph 19. In die Migrantinnenberatungsstelle INCI
Eine mißhandelte Ehefrau kann zwischen Pest und Cholera wählen. Entweder entzieht sie sich dieser Gewalt, indem sie zum Beispiel in ein Frauenhaus flüchtet. Dann droht ihr die Ausweisung oder Abschiebung, weil die Ehe in den Augen von Justitia nicht mehr als vollzogen gilt. Die Frau kann auch ohne Scheidung abgeschoben werden, dann steht sie ohne finanzielle Absicherung da. Oder: Sie erträgt weiterhin die Gewalt ihres Mannes, um bleiben zu können.
Die Rückkehr in die Heimatländer bedeutet für viele Scham und Schande. „In der Türkei sind diese Frauen geächtet, sie und ihre Kinder gelten als Freiwild“, erklärt der Rechtsanwalt Mahmut Erdem die Angst vor der Ausweisung. „In der BRD haben die Frauen zumindest die Möglichkeit, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Hier gibt es für sie ein soziales Netz.“ Vicky Morales-Seifert, Mitarbeiterin bei Amnesty for Women, weiß ähnliche Erfahrungen zu berichten: Zurückgekehrten Phillipinas wird die Schuld an der gescheiterten Ehe zugeschoben. Auch sie werden geächtet.
Den zu erwartenden Repressionen trägt der Paragraph keine Rechnung. Die Folgen der Ausweisung in den Herkunftsländern gelten nicht als Grund, die Ausweisung auszusetzen. Das deutsche Ausländergesetz kennt keine Gnade; Männergewalt findet unter dem Schutz Justitias statt.
INCI (Internationale Kultur und Information für Frauen), Zeißstr. 22-28, % 390 61 47 oder 393515
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