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Verliebt, verlobt, verprügelt

■ Pfandflaschen sammeln, die Schwiegermutter anbetteln und dem eigenen Ehemann hilflos ausgeliefert, Deutschland – ein Alptraum: Ohne eigenes Aufenthaltsrecht müssen ausländische Ehefrauen auf Gedeih und Verderb bei ihren mißhandelnden Männern bleiben Von Katja Tiedemann

„Ich stamme aus Aydan, einer türkischen Provinz. Vor fünf Jahren besuchte mich mein heutiger Mann gemeinsam mit seinen Eltern. Er kam aus Deutschland“, erzählt Ayshe* wie alles begann.

Nach dem zweiten Besuch ihres Mannes – sie kannten sich kaum – wurde geheiratet, und sie reisten in die Bundesrepublik aus. Sie glaubte, wie viele, Deutschland sei das Paradies.

„Bevor mein Mann und ich in eine eigene Wohnung zogen, lebten wir gemeinsam mit meinen Schwiegereltern in einer 50 Quadratmeter großen Wohnung in Altona.“ Ihr Mann kommt nächtelang nicht nach Hause. Die Schwiegereltern machen ihr Vorwürfe und behaupten, es sei ihre Schuld. Sie hat kein eigenes Geld, um sich Alltägliches – beispielsweise Shampoo – zu kaufen. Immer muß sie die Schwiegermutter um Geld bitten. Ayshe möchte arbeiten. Das wird ihr verboten. Manchmal gehen Ayshe und ihr Mann tanzen, sie amüsieren sich und geben viel Geld aus. „Irgendwann wurde mein Mann aggressiv und schlug mich. Wenn ich mit meinem Schwiegervater allein in der Wohnung war, belästigte er mich sexuell“, berichtet Ayshe verlegen.

Während sie erzählt, wird die anfangs fröhliche junge Frau immer blasser. Tränen kommen. Zögernd erzählt sie weiter: „Nach einem Jahr wurde ich schwanger, gemeinsam zogen wir in eine kleine Wohnung nach Horn. Mein Mann war mittlerweile heroinabhängig, auch dafür machten mich die Schwiegereltern verantwortlich.“

Das Kind wird geboren, und die Beziehung verläuft einige Zeit harmonisch. Ihr Mann arbeitet, doch sie haben trotzdem kein Geld, denn das geht für Drogen drauf. Nur manchmal bekommt Ayshe etwas Geld, um Milch für das Baby kaufen zu können. Ihr Mann wird immer aggressiver, er schlägt sie fast täglich. Um mehr Geld zu bekommen, sammelt Ayshe Pfandflaschen und tauscht sie ein. „Nach einem Jahr wurde ich wieder schwanger, mein Mann schlug mich jeden Tag, und ich bekam dadurch Schwierigkeiten bei der Schwangerschaft.“

Ihr Mann demoliert regelmäßig die Wohnung. Manchen Tag traut Ayshe sich nicht vor die Tür, sie schämt sich ihrer Verletzungen. Gelegentlich bekommt sie von den Nachbarn etwas Geld für sich und ihre Kinder. Ayshe ist hilflos. „Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich mich gewehrt hätte. Ich hatte einfach Angst vor meinem Mann.“

Ayshes Mann hatte das Druckmittel, daß er sie bei der Ausländerbehörde hätte denunzieren können: ,Meine Frau lebt nicht mehr bei mir.' AusländerInnen müssen mit ihrem in der Bundesrepublik lebenden Ehepartner vier Jahr in einer Wohnung zusammenleben. Hätte Ayshe ihren Mann in diesen vier Jahren verlassen, wäre sie ausgewiesen worden. Mitarbeiterinnen von Amnesty for Women, der Migrantinnenberatungsstelle INCI e.V. und Frauenhäusern wissen von solchen Fällen zu berichten.

Eines Tages spielt Ayshe mit ihren Kindern auf einem Spielplatz in der Nähe der Wohnung. Sie hat am ganzen Körper blaue Flecken, ihr Gesicht ist zerschunden. „Eine Nachbarin sprach mich auf meine Verletzungen an. Ich erzählte ihr, daß mein Mann mich täglich schlägt.“ Die Nachbarin bringt Ayshe in ein Frauenhaus. Sie lebt heute noch dort.

Vielen dieser Frauen ist ihre Geschichte und das Durchlittene unangenehm. INCI-Mitarbeiterin Nebehad Güclü berichtet: „Die Frauen kommen zu uns, um Deutsch zu lernen oder an einem Nähkurs teilzunehmen. Im Gespräch erfahren wir ganz nebenbei von ihren Problemen. Davon, daß ihre Männer sie seelisch und körperlich quälen.“

Von INCI erfahren sie häufig zuerst, daß sie ausgewiesen werden, wenn sie ihre Männer verlassen. Und ertragen dann ihre Qualen. Bahar Arican, Mitarbeiterin eines Frauenhauses, berichtet wie sich eine Klientin von ihr verabschiedete: „Ich gehe jetzt zurück zu meinem Mann, vielleicht bin ich in einer Woche wieder da – oder ich bin tot.“ Die Frauen zeigen ihre Männer auch nicht an. Nur selten kommen solche Fälle vor Gericht.

„Die Frauen kommen mit großen Hoffnungen und Erwartungen, auch an ihre Männer, nach Deutschland“, erklärt der Rechtsanwalt Machmut Erdem. „Die Männer leber hier, im Konflikt mit der deutschen und türkischen Kultur. Sie sind im Schoß ihrer Familie aufgewachsen, haben nie gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Den Verpflichtungen einer Frau und einer Familie gegenüber sind sie nicht gewachsen.“

Zum Abschied sagt Ayshe: „Obwohl mir Deutschland noch fremd ist, möchte ich hier bleiben. In die Türkei möchte ich nicht zurück, dort wäre ich ein Mensch 2. Klasse, man würde mich verachten.“

* Name geändert

Die Texte wurden übernommen aus dem Stadtmagazin HH 19

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