Die Bremser sitzen in Bonn

■ Frauen profitieren von Europa, wirbt die Abgeordnete Karin Jöns

In der Gestalt eines Stiers näherte sich Göttervater Zeus einst der schönen Europa, um sie zu verführen. Die Zeiten haben sich zwar geändert, seit die Sage entstanden ist. Aber auch heute stehen Frauen häufig machtlos vor der Frage, wie das Treiben der Potentaten in den Chefetagen ihr Leben beeinträchtigt. Die undurchsichtigen europäischen Strukturen und eine Brüsseler Bürokratie, die zunehmend in den Alltag eingreifen, lassen die Ängste besonders sprießen.

Aufklärung tut also Not. Was bringt Europa für die Frauen, wollten gestern vor den Kameras des Bremerhavener Offenen Kanals sechs Stadtverordnete und Bürgerschaftsabgeordnete aus der Seestadt von der Bremer Europaabgeordneten Karin Jöns (SPD) wissen. Tenor der Europa-Enthusiastin Jöns: Europa ist gut für alle.

Auch Frauen profitierten von der europäischen Einigung - und das nicht nur durch die vielen Projekte für Berufsrückkehrerinnen, die der Europäische Sozialfonds unterstützt. Jöns gelang es, bei den Frauen auf dem Podium und im Publikum die Zweifel an Europa zu zerstreuen. Die Kompetenz der Sozialpolitikerin wurde von den Politikerinnen aller Parteien ohne Widerworte anerkannt.

Jöns blieb zu keinem Thema die Antwort schuldig. Europäische Einigung allgemein: Die verhindere Kriege und erleichtere der deutschen Exportwirtschaft das Leben. Mögliche Brüsseler Strukturhilfen: Bringe Ersatzarbeitsplätze, wenn die durch Mißmanagement ruinierten Werften pleite machen sollten. Verbraucherschutz: In Europa nicht schlechter als in Deutschland. Niederlassungsfreiheit: Erleichtere auch Frauen den Wechsel in ein anderes Land.

Auch in der Frauenpolitik habe sich in Europa viel bewegt. In jetzt anstehenden Nachverhandlungen für den Vertrag von Maastricht solle auch die Förderung von Frauen in die Politik-Ziele der Europäischen Union aufgenommen werden, so Jöns. Auch der Europäische Gerichtshof habe früher viel für die Gleichstellung getan. Allerdings habe sich seit vier Jahren der Wind gedreht, räumte Jöns ein. Jüngstes Glied in einer Kette „frauenfeindlicher Urteile“ sei die Entscheidung gegen die Bremer Frauenquote gewesen. Dieses „Männertribunal“ sei jedoch nicht Europa.

In Bremerhaven habe das Image Europas nach dem Ärger um die fehlgeleiteten Vulkan-Beihilfen gelitten, sagte die Diskussionsleiterin Hilde Adolf. „Aber die EU muß doch dafür sorgen, daß die einstimmig beschlossenen Wettbewerbsregeln eingehalten werden“, sprang die Sozialdemokratin den Brüsseler Kommissaren bei. Eine Hoffnung, die Frauen wie Männer in der Seestadt umtreibt, mußte Jöns jedoch dämpfen: Bis 1999 seien die europäischen Fördermittel für Berufsqualifizierungsprojekte verteilt. Erst danach könne Europa den regionalen Strukturwandel stärker durch Ausbildung in zukunftsträchtige Jobs befördern.

Es sei ein Mythos, daß die EU deutsche Verbraucherinnen rücksichtslos den Interessen skrupelloser Großkonzerne ausliefere: So garantiere das europäische Verbraucherschutz-Zeichen CE auf Elektrogeräten die Sicherheit eines Herdes oder Föns mindestens ebenso gut wie das deutsche GS-Signal (Geprüfte Sicherheit). Schon wenn eine Mineralwasserflasche explodiere und ein Kind verletze, hafte die Herstellerfirma europaweit für die Schäden. Und daß gentechnisch manipulierte Lebensmittel generell besonders gekennzeichnet werden müßten, dafür kämpfe das Europäische Parlament gegen die EU-Kommission. Überhaupt müßten die Inhaltsstoffe stets auf der Verpackung angegeben werden, schon im Interesse der vielen Allergikerinnen, betonte Karin Jöns.

Viele Verdächtigungen gegen die Brüsseler Bürokratie, die unsere Sozial- und Frauenförderstandards abschaffen wollten, dienen laut Jöns nur dazu, von der Verantwortung heimischer Politiker abzulenken. Als Bremser bei der Frauenförderung tue sich die deutsche Bundesregierung hervor, die im Ministerrat mit ihrer Stimme ein umfangreiches Aktionsprogramm für Frauen lange blockiert und schließlich nur einer abgespeckten Version zugestimmt habe. Auch bei der sozialen Sicherung von ungeschützten Beschäftigten - zu 80 Prozent Frauen - sperre sich Bonn gegen weitergehende Brüsseler Pläne, so Jöns. „Aber dafür kann Europa ja nichts.“ jof