: Zugabfertiger werden zügig abgefertigt
■ BVG will bis 1998 die Zugabfertiger und später auch die Zugführer abbauen
„Zurückbleiben, bitte“, heißt es jetzt für 1.100 Zugabfertiger der U- Bahn, die nach einem Konzept der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ihren angestammten Platz im Glaskasten verlieren. „Die BVG möchte Personal sparen, um die Kosten zu senken“, erklärt U- Bahn-Chef Klaus Lipinsky. Deshalb hat die BVG beschlossen, die Helden des Bahnsteigs bis 1998 vollständig abzuschaffen.
Auf den Linien U4, 8 und 9 sind die Bahnsteige schon längst verwaist. Hier fertigen sich die Fahrer selbst ab, ein akustisches Signal warnt die Fahrgäste bei der Abfahrt des Zuges vor den schließenden Türen. Ab dem 26. September soll auch die Linie 6 auf „Zugfahrer-Selbstabfertigung“ umgestellt werden. Im Dezember 1996 folgt dann die Umstellung von U1 und U15. 1998 soll nach Planung der BVG auf der Linie 7 das letzte „Erst aussteigen lassen!“ durch den Bahnhof hallen.
Der schnöde Zugabfertiger ist damit tot. Auferstehen wird er allerdings als „Bahnhofsmanager“. Denn „entlassen können wir keine Mitarbeiter“, so Lipinsky. Diese Bahnhofsmanager sollen auf mehreren Bahnhöfen die Passagiere betreuen. „Mein Wunsch wäre es, daß die Mitarbeiter Auskunft geben, mit mobiler Kommunikationstechnik ausgestattet sind und Fahrkarten verkaufen“, meint Lipinsky. Dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Fahrgäste sollen ein Videoüberwachungssystem und eine Reihe von Notrufsäulen dienen. Die Umbaukosten in Millionenhöhe sollten sich in einem Jahr amortisieren, rechnet der U- Bahn-Chef vor.
Die Erfahrung mit der Linie 4, auf der das Konzept der „Selbstabfertigung“ bereits durchgesetzt ist, macht Matthias Horth vom Fahrgastverband IGEB allerdings den neuen Ideen der BVG gegenüber skeptisch. „Wenn ein Mitarbeiter drei Bahnhöfe zu betreuen hat“, erklärt Horth, „kann er den Kunden keine Sicherheit geben.“ Auch der Verkehrspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Michael Cramer, kritisiert die Vorstellung eines personalfreien Bahnhofs. „Geisterbahnhöfe fördern nur den Vandalismus“, prophezeit er, und „die Leute werden abgeschreckt, mit der BVG zu fahren.“ Das wiederum koste Fahrgäste und bewirke Fahrpreiserhöhungen.
Doch der Zug der Zukunft braucht keine Menschen. Denn auch die U-Bahn-Fahrer wird es nicht mehr lange geben. „Unser Fernziel heißt fahrerloser Zugverkehr“, verspricht Lipinsky. Mit der Baureihe H, der „U-Bahn 2000“, die ab Herbst von der BVG auf dem Berliner Netz getestet wird, rückt seine Vision in nahe Zukunft. Die einst stolzen Fahrer sollen dann als Zugbegleiter in den Waggons Fahrkarten verkaufen. Torsten Teichmann
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