: Eine montierte Kanzleraffäre
■ Die Bürgerrechtlerin Bohley wehrt sich gegen ein Satiremagazin
Bärbel Bohley (50) liegt nackt auf Helmut Kohl. Das Titelblatt des „Eulenspiegel“ zeigt's zwar nicht, aber jeder weiß, was die ehemalige DDR-Dissidentin und der Kanzler treiben. Die Position ist eindeutig. Das ostdeutsche Magazin für „Satire, Humor und Nonsens“ stellt vor: „Kohls Neue – Ist es mehr als Freundschaft?“ Bis heute hat der „Eulenspiegel“ Zeit, sich für die Fotomontage zu entschuldigen. Wenn nicht, wird Bohley klagen.
taz: Sie und Kohl: Eine Sexmontage, so verklemmt wie muffig. Vetragen Sie keinen Humor?
Bärbel Bohley: In welcher Form soll ich mich denn wehren? Ich habe kein Bundeskanzleramt, keine Partei hinter mir. Ich gehe in die Kaufhalle und sehe die Zeitung, fahre U-Bahn und denke, die Leute haben den Eulenspiegel gesehen.
Als Sie den Titel sahen, mußten Sie nicht erst mal lachen?
Es dauerte ganz schön lange, bis das richtig durchsackte. Ich habe 14 Tage gebraucht, bis ich zum Anwalt gegangen bin. Ich habe gedacht, daß sich andere lauter einmischen werden. Es gibt doch sehr viele Fraueneinrichtungen im Westen, und die hätten wahrscheinlich vor 1989 sehr laut geschrien bei so einem Titelbild. Da das nicht passiert ist, habe ich mich entschlossen, selber laut zu schreien.
Was konkret hat Sie schockiert?
Ich werde benutzt, ausgezogen und montiert, um so von denen in eine politische Diskussion hineingezogen zu werden, denen die Argumente ausgehen. Der Eulenspiegel vertritt ein Spektrum an Leuten, die sich vom Westen überrollt fühlen. Aber sie sind schlimmer als der schlimmste Westen!
Kurt Tucholsky sah es einfacher: Satire darf alles.
Und ich sag was anderes: Das ist Pornographie und keine Satire. Es hat doch in Deutschland Tradition, daß mit diffamierenden Bildern Politik gemacht wird. So hat die Stasi auch gearbeitet.
Für Ihre Genugtuung verlangen Sie einen stolzen Preis, nämlich 100.000 Mark Schadenersatz. Björn Engholm, den man in das Todesfoto des Uwe Barschel montiert hatte, bekam 40.000 Mark ...
Über die Höhe des Schmerzensgeldes wird das Gericht entscheiden. Aber ich sehe es so: Wer seine eigene Würde nicht schätzt, der lächelt auch bloß über solch eine diffamierende Montage. Stellen Sie sich mal vor, nach dem Treffen Lafontaine mit Gysi hätte der Eulenspiegel so etwas gebracht. Da hätten alle aufgeheult!
Meinen Sie wirklich?
Diffamierende Bilder gehören zur negativen deutschen Tradition. Bereits 1880 gab es schon Karikaturen, die zeigten, wie Juden in Güterzüge gepfercht werden, als es um die Debatte ging, „wie Deutschland verjudet“. Jahrzehnte danach wurde es Wirklichkeit.
Hat sich der Herr unter Ihnen schon gemeldet?
Ich telefoniere nicht mit Herrn Kohl über Pornographie. Ich führe auch keine Stellvertreterprozesse. Interview: Annette Rogalla
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