: Der Spott folgt dem Schaden
Nach der Opernball-Affäre bemitleiden in Niedersachsen die Grünen ihren Ministerpräsidenten: „gemeines Aufsteigerschicksal“ ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Ermattet und von den persönlichen Problemen augenscheinlich gebeutelt: Der niedersächsische Ministerpräsident hing mehr, als daß er auf der Regierungsbank des Landtages saß. Es war der Fraktion der Grünen gestern vorbehalten, die Zornesröte in das blasse Gesicht von Gerhard Schröder zu treiben – mit Hilfe der Opernballaffäre.
Nach dem Motto, wo Schröder den Schaden hat, werden wir für den Spott sorgen, hatte die Grünen eine Belobigung des Regierungschefs durch das Parlament auf die Tagesordnung gesetzt.
Unter dem Titel „Es ist nie zu Späth – Schröders unermüdlicher Einsatz für das Wohl der niedersächsischen Bürger und Bürgerinnen“ sollte es das Landesparlament „außerordentlich begrüßen, daß der Ministerpräsident unmittelbar nach der Ankündigung ,tiefer sozialer‘ Einschnitte die Konkretisierung dieser Maßnahmen mit dem VW-Chef Piech auf dem Wiener Opernball erörtert hat“.
Dem Ministerpräsidenten, der sich von Ferdinand Piech zum Wiener Opernball hatte einladen lassen, bekundete denn auch der grüne Abgeordnete Pico Jordan vor allem Mitleid, attestierte dem zornesroten Schröder „einfach ein gemeines Aufsteigerschicksal“. Schröder gebe sich so viel Mühe, zu sein wie die Reichen und Superreichen, und denke noch, wer zum Opernball dürfe, der gehöre einfach dazu. Doch die Wiener selbst würden schon von einem Ball für Abgetakelte sprechen, und die Großbürger würden es Schröder anschließend nicht einmal danken, sondern ihm öffentlich attestieren, daß er aus jener Funktionärsschicht komme, „der es an der richtigen großbürgerlichen Lebensart fehlt“. Jordan nahm Schröder durchaus auch vor dem Vorwurf in Schutz, durch die Einladung von Piech würde der Ministerpräsident die Unabhängigkeit als dessen Kontrolleur im VW-Aufsichtsrat verlieren.
Dieser Vorwurf sei einfach lächerlich, spottete der Grüne und fügte hinzu: „Wo nie Unabhängigkeit war, da hat der Automann Schröder auch keine zu verlieren.“
Ganz ernsthaft wertete anschließend die CDU die Opernballreise des nunmehr getrennten Ehepaars Schröder „als Vorteilsannahme von erheblichem Geldwert“. Die Regeln bei Annahme von Geschenken, die für kleine Beamte gelten würden, hätten auch für einen Ministerpräsidenten Gültigkeit. Schließlich sei auch der ein Amtsträger im Sinne des Strafgesetzbuches, erklärte der CDU- Landtagsabgeordnete Bernd Busemann. Es sei eben vorher nicht mit Piech oder VW verabredet gewesen, daß das Ehepaar Schröder für die Flüge per Pirvatmaschine nach Wien bezahlen sollte, stellte der CDU-Abgeordnete unwidersprochen fest und erinnerte danach an jene Verhaltensregeln für Politiker, die der pensionierte Verfassungsrichter Helmut Simon anläßlich der Griefahn-Affäre im Auftrag von Schröder zu Papier gebracht hatte. Eine strikte Trennung von politischem Amt und privaten Interessen hatte Simon damals gefordert und auch jene Vorteilsannahmen von Politikern verurteilt, die nicht strafrechtlich relevant sind.
Gerhard Schröder hat gestern mit nur einer Erklärung geantwortet: Es sei lächerlich zu glauben, man könne ihn mit einer Ballkarte beeinflussen. Die Kosten für die zwei Linienflüge Wien hin und zurück habe er den Volkswagen- Werken bereits überwiesen.
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