: „Jetzt hängt alles von Bayer ab“
■ Rechtsanwalt Mugio Ishii vertritt im Bluter-Prozeß von Tokio die Klage der Opfer, die von Bayer-Präparaten mit HIV infiziert wurden
taz: Der Bayer-Konzern nennt den japanischen Bluter-Skandal „eine unvoraussehbare und unvermeidbare Katastrophe“. Läßt sich auf dieser Basis ein Vergleich schließen, wie ihn die Gerichte in Tokio und Osaka vorgeschlagen haben?
Mugio Ishii: Nein. Die Opfer werden einem Vergleich, der die Schuldigen nicht eindeutig benennt, nicht zustimmen. Nach unserer Auffassung, die der Vergleichsvorschlag bestätigt, tragen die fünf angeklagten Unternehmen in erster Linie die Verantwortung für den Skandal. Sie versuchen jedoch ihre Verantwortung auf den Staat abzuschieben, seit das Gesundheitsministerium wichtige interne Dokumente vorgelegt hat, die das fehlerhafte Verhalten der Bürokraten aufzeigen. Aber so geht das nicht: Seit wann können Diebe behaupten, daß die Polizei schuld ist, weil sie die Diebe nicht gefangen hat?
Bayer behauptet, an einer Vergleichslösung interessiert zu sein.
Ich bin mir da nicht sicher. Bayer ist ein multinationaler Konzern. Wenn er sich in Japan auf den jetzt vorgeschlagenen Vergleich einläßt, der eine sehr hohe Entschädigungssumme vorsieht, wird das nicht ohne Einfluß auf die Verfahren in anderen Ländern bleiben. In den USA gibt es weit mehr HIV-infizierte Bluter-Opfer als in Japan. Wenn bekannt wird, wieviel Entschädigung Bayer in Japan zahlt, kann sich der Konzern nicht mehr gegen ähnliche Vergleiche in den USA wehren.
Kann Bayer einen Vergleich in Japan verhindern?
Gesetzlich wäre es zwar denkbar, einen Vergleich auch ohne Beteiligung aller Parteien zu schließen. Aber in diesem Fall ist der Vergleich praktisch unmöglich, wenn auch nur eine der fünf angeklagten Firma ausschert. Deshalb hängt jetzt alles von Bayer und dem ebenfalls angeklagten US- Multi Baxter ab. Mit den anderen drei japanischen Firmen ist man soweit gekommen, daß sie auf den Vergleich höchstwahrscheinlich eingehen werden.
Bayer behauptet, in der fraglichen Ansteckungszeit zwischen 1983 und 1985 sei die Aidsgefahr nicht hinreichend bekannt gewesen.
Bayer wußte schon ziemlich früh von der Gefahr. 1982 hat Ed Cutter, Rechtsanwalt von Bayer in den USA, vor der Gefahr der HIV- Infizierung durch Blutpräparate gewarnt und vorgeschlagen, eine Warnung in die Produktpackungen einzulegen. Dieses interne Papier wurde dem Gericht vorgelegt. Es ist unglaublich, daß Bayer immer noch behauptet, man habe von der Gefahr nichts gewußt. Interview: Chikako Yamamoto
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