: Vor Taiwan wird scharf geschossen
■ Flüge werden umgeleitet, Schiffe und Flugzeuge sollen die Meerenge meiden. Angesichts der Ausweitung der chinesischen Militärmanöver versetzt Taiwan seine Truppen in Kampfbereitschaft
Peking/Taipeh (AFP/AP) – Angesichts eines von Peking angekündigten neuen Manövers vor seinen Küsten wappnet sich Taiwan für den Ernstfall. Die Truppen seien in erhöhte Kampfbereitschaft versetzt worden, sagte gestern Taiwans Verteidigungsminister Chiang Chung-ling. China kündigte am Samstag an, ab Dienstag würden zusätzlich zu den Raketentests vor Taiwan weitere Manöver mit scharfer Munition abgehalten. Seit Freitag hatte die chinesische Armee vier Raketen auf Zielgebiete vor Taiwan abgefeuert und damit für den Inselstaat lebenswichtige Häfen blockiert. Taiwan drohte mit Gegenschlägen, falls seine Hoheitsgewässer verletzt werden. Die Manöver richten sich gegen Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans, wo am 23. März Präsidentschaftswahlen stattfinden.
Betroffen ist ein 17.000 Quadratkilometer großes Seegebiet, das in der Nähe des mit 300 Flügen am Tag verkehrsreichsten taiwanischen Luftkorridors liegt, wie die Behörden in Taipeh mitteilten. Dort wird der Flugverkehr nach Südost- und Nordostasien sowie in die USA abgewickelt. Peking forderte alle ausländischen Schiffe und Flugzeuge auf, sich während des Manövers aus der Region fernzuhalten. Laut einem Bericht der taiwanischen Zeitung United Daily News will China die Manöver nicht nur wie von Xinhua gemeldet bis zum 20. März, sondern bis zum Ende des Monats fortsetzen. Dazu würden 250 Kampfflugzeuge und mehr als 150.000 Soldaten mobilisiert. Die japanische Zeitung Yomiuri Shimbun berichtete gestern, die Planungen sähen auch Landungsmanöver auf drei Inseln vor.
Taiwans Regierungschef Lein Chan forderte China auf, diese „gefährlichen Aktionen“ sofort einzustellen. Sie seien eine beispiellose Einschüchterung der Einwohner Taiwans und eine „offene Provokation“. Taiwan mobilisierte im Gegenzug vor allem die Truppen auf den Inseln Kinmen und Penghu. Schnellboote patrouillierten vor der Kinmen-Insel, die nur 2,3 Kilometer von der chinesischen Küste entfernt liegt. Von dem Eiland Quemoy aus, etwa zweieinhalb Kilometer von der südchinesischen Küste entfernt, feuerte taiwanische Artillerie auf Felsen in der Meerenge zwischen beiden Ländern, die an der schmalsten Stelle 130 Kilometer breit ist.
„Wir können nur unsere nationale Sicherheit sichern, wenn wir unsere Kampfkraft stärken“, sagte Präsident Lee Teng-hui. In Taipeh wurde ein Katastrophenzentrum eingerichtet, in Schulen wurden Luftschutzübungen abgehalten. Auch Vorbereitungen für eine Evakuierung der Bevölkerung und die Verteilung von Lebensmitteln wurden getroffen.
US-Außenminister Warren Christopher bezeichnete die Raketentests Chinas als „unverantwortlich“ und als „ungerechtfertigte Provokation“. Der britische Außenminister Malcolm Rifkind forderte China auf, „sehr vorsichtig zu überlegen“, was es tut. „Bisher hat sich China auf bloße Manöver beschränkt“, sagte ein westlicher Diplomat in Peking. „Aber sie gehen jedes Mal ein bißchen weiter und werden (...) bedrohlicher.“ Eine simple nervöse Reaktion könne zur Eskalation führen.
Peking warnte Taiwan, seinen Bewohnern drohe eine „extrem schwere Katastrophe“, sollte es seine Unabhängigkeit erklären. In einem Kommentar der Volkszeitung, dem Parteiorgan der Kommunistischen Partei Chinas, wurde Taiwans Präsident für die Krise verantwortlich gemacht. Sollte Lee auf dem „gefährlichen Weg“ der Unabhängigkeit fortfahren, werde es für Taiwan keine Zukunft geben. Der Kommentar verhehlte nicht die Absicht Pekings, die Wirtschaft der Insel lahmzulegen. Taiwan sei von Rohstofflieferungen abhängig, das könne für die Bevölkerung Leid bedeuten, hieß es in dem Artikel.
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