: Ratlosigkeit nährt Putschgerüchte im Sudan
■ Die Wahl droht zu scheitern, das islamistische Militärregime streitet mit sich selbst
Khartum (taz) – Die von Islamisten gestützte Militärregierung im Sudan unter Oberst Omar al-Baschir gerät zunehmend in Bedrängnis. Obwohl die vor sechs Tagen begonnenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen noch bis Ende dieser Woche weiterlaufen, zeichnet sich heute schon ab, daß der Versuch, das Regime durch Wahlen zu legitimieren, scheitert. Fragt man auf den Straßen der Hauptstadt Khartum nach einem Wahllokal, erntet man gewöhnlich nur ein Schulterzucken. Wird man doch fündig, bietet sich meist nur eine ausgestorbene Schule, in der eine Handvoll Wahlhelfer gelangweilt vor den Urnen auf Kundschaft wartet.
Staatschef al-Baschir, der zunehmenden Isolierung inner- und außerhalb seines Landes bewußt, hat Oppositionelle der Demokratischen Unionisten (DUP) unter der Hand um Vorschläge gebeten, das Land aus seiner politischen Sackgasse herauszuführen. Das bestätigte jetzt der frühere Vizepräsident Abd al-Alier. Seit Wochen kursieren Überlegungen über eine Übergangsregierung, die aus einem breiten Bündnis der bisher verbotenen politischen Parteien und des moderateren Teils der regierenden Islamisten gebildet werden könnte. Am vergangenen Donnerstag versuchte sich die verbotene Opposition, im Haus des 1989 gestürzten Ministerpräsidenten Sadiq al-Mahdi zu einem Klausurfrühstück zu treffen. Dabei wurden mehrere Oppositionspolitiker vor dem Haus von Sicherheitskräften kurzzeitig festgnommen. Oppositionskreise deuten das als eine mögliche Spaltung zwischen Präsident al-Baschir und den von Islamisten kontrollierten internen Sicherheitskräften. Islamistenchef Hassan al-Turabi soll sich am Mittwoch sowohl über das Oppositionstreffen wie auch über al- Baschirs Initiative äußerst wütend geäußert haben.
Auch die Lage im Bürgerkrieg im Südsudan wird für die Regierung immer schwieriger. Bei einer erfolgreichen Überraschungsoffensive hatten die südlichen SPLA-Rebellen Ende Oktober 1995 einen Großteil der Gebiete zurückerobert, die sie in den Jahren zuvor verloren hatten. In der Armee steigt die Frustration über den nicht gewinnbaren Krieg. Vor wenigen Tagen sollen mehrere Offiziere in der von der SPLA belagerten südlichen Garnisonsstadt Juba gegen Befehle der „Islamischen Front“ gemeutert haben.
Bündnis zwischen Armee und Islamisten löst sich auf
Ghazi Shams Eddin, Vorsitzender des Nationalkongresses – eine Art Parlament – bestätigte gestern einen vor kurzem stattgefundenen Putschversuch, der allerdings „keine ernsthafte Bedrohung“ dargestellt habe. Seit Jahren ist das Verhältnis zwischen der Armee und den islamistischen Parallelinstitutionen wie den „Volksverteidigungskomitees“ angespannt, und so mancher der alten Offizieren hat sich vom Dienst verabschiedet. Das Bündnis zwischen Islamisten und Armee, das 1989 zum erfolgreichen Militärputsch führte, scheint sich aufzulösen.
In der Hauptstadt Khartum kursieren unterdessen Flugblätter der Gewerkschaften, die nicht nur zum Wahlboykott aufrufen, sondern auch dazu, sich für einen Aufstand bereitzuhalten, der – wie es heißt – mit Waffen geschützt werden soll. Dies entspricht den gegenwärtigen Planungen der sudanesischen Opposition für einen Sturz der Regierung. Wie ernst zu nehmen die Flugblätter sind, ist allerdings schwer einzuschätzen, hat doch das Regime die einst mächtigen Gewerkschaftsstrukturen inzwischen konsequent zerschlagen. Westliche Beobachter und Oppositionskreise im Sudan halten jedoch einen Militärputsch in den nächsten Wochen für möglich.
Der Druck auf die Regierung dürfte noch steigen. Der UN-Sicherheitsrat forderte den Sudan am 31. Januar auf, die Männer auszuliefern, die im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Ägyptens Präsidenten Hosni Mubarak in Äthiopien im Sommer 1995 gesucht werden. Khartum bekam 60 Tage Zeit, seine Bemühungen nachzuweisen und die Unterstützung terroristischer Gruppen einzustellen. Zwei Drittel der Frist ist nun bereits abgelaufen – ohne nennenswerten Fortschritt. Karim el-Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen