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Ankläger bald selbst angeklagt?

■ NORDAC-Müllschiebereien: Strafanzeige gegen Hamburger Staatsanwalt / Kontroll-Lücken in der Umweltbehörde Von Hagen Lang und Marco Carini

Der von der taz aufgedeckte Skandal um die mutmaßliche Weitergabe von geheimen Prozeßunterlagen der Hamburger Umweltbehörde an die wegen illegalen Müllschiebereien erstinstanzlich verurteilten NORDAC–Mitarbeiter weitet sich aus: Gestern stellte der ehemalige Schweriner Umweltdezernent Edmund Haferbeck gegen den Hamburger Staatsanwalt Peter Eschenburg Strafanzeige wegen „Strafvereitelung im Amt“. Eschenburg hatte den Umweltbehörden-Mitarbeiter Klaus B., der der NORDAC staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten zugespielt haben soll, nicht von Amts wegen angezeigt. Dazu aber wäre er verpflichtet gewesen.

Erst ein Frankfurter Polizist, der als Zeuge im NORDAC-Prozeß aussagte, brachte den Stein ins Rollen. Seine Anzeige gegen den Umweltbeamten ging gestern bei der Hamburger „Dienststelle Interne Ermittlungen“ (DIE) ein. Klaus B. bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Doch aus den staatsanwaltschaftlichen Akten, die der Verurteilung der NORDAC-Mitarbeiter zugrunde liegen, geht nicht nur hervor, daß die NORDAC von der Umweltbehörde mit internen Ermittlungsergebnissen versorgt worden sein soll. Die illegale Ent-sorgung von über 1.000 Tonnen kontaminierter Erde, so legen die Akten nahe, wäre bei ordnungsgemäßer Kontrolle durch die Umweltbehörde unmöglich gewesen.

Denn obwohl die NORDAC-Bodenwaschanlage technisch nicht in der Lage war, mit mikroskopisch kleinen Schwermetallpartikeln verseuchte Böden zu „reinigen“, aquirierten die NORDAC-Verantwortlichen – unter den Augen der Behörde – eifrig solch kontaminierte Bodenfrachten und versprachen ihren Auftraggebern deren „Sanierung“.

Bei der „Entsorgung“ des Erd-reichs betätigte sich die NORDAC oft nur als „Durchlauferhitzer“ und verschob den Giftmüll gewinnbringend weiter. So wurde die Verfrachtung von 1.077,03 Tonnen schwermetallverseuchter Erde an die Frankfurter Recycling-Firma „Eumet“ von der Umweltbehörde abgesegnet. „Recherchen der Umweltbehörde zur Verwertungsmöglichkeit ergaben, daß die Eumet aufgrund ihre Anlagentechnik dazu in der Lage war“, begründete Behördensprecherin Ina Heidemann.

Eine schlampige Recherche. Das Frankfurter Landgericht, daß den ehemaligen Eumet-Chef Helmut Trapp im vergangenen Oktober zu drei Jahren Haft, Geldstrafe und Berufsverbot verurteilte, kommt in seiner Urteilsbegründung zum exakt entgegengesetzten Ergebnis: Eine ordnungsgemäße „Verwertung“ der angelieferten Gift-Böden war im Hause Eumet technisch zu keinem Zeitpunkt möglich. Die Folge: Über 1.000 Tonnen der vergifteten Böden landeten im Landschaftsschutzgebiet Lindigwald bei Aschaffenburg.

Die NORDAC sparte durch die illegale Bodentransaktion einige hunderttausend Mark Entsorgungskosten. Nach Informationen des Spiegel ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Eumet-Schiebereien gegen Hamburger Beamte, die Bestechungsgelder angenommen haben sollen. In Hamburg ist davon allerdings nichts bekannt. Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger: „Uns liegt da nichts vor“.

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