: Welchen Nachwuchs will die PDS?
■ Die Partei hätte gern einen Jugendverband, schon der öffentlichen Zuschüsse wegen, doch mit der FDJ will sie sich deshalb trotzdem nicht einlassen
„Ich war ja 1990 entschieden gegen die Gründung eines Jugendverbandes der PDS“, sagt deren Schatzmeister Dietmar Bartsch heute, „aber wenn ich jetzt immer so die Zahlen sehe, was andere Parteien für ihre Nachwuchsorganisationen kassieren, dann tränen mir schon ein bißchen die Augen.“ Die Zahlen, die auf den Finanzwart der PDS wie geschnittene Zwiebeln wirken, sind kein Geheimnis. In den Rechenschaftsberichten der Parteien an den Bundestag kann man die zweckgebundenen öffentlichen Zuschüsse an deren Jugendorganisationen nachlesen. 1994 hat der Steuerzahler den CDU-Nachwuchs mit 3,3 Millionen Mark gesponsert und mit noch mal 642.000 Mark extra den der CSUler. Den Jusos standen knapp 3,5 Millionen zu und den Liberalen 962.000 Mark. Vergleichsweise bescheidene 53.000 Mark blieben für die bündnisgrünen Jungaktivisten. Lediglich die PDS kriegte nichts. Zwar trat sie offiziell die Nachfolge der SED an, aber deren „Kampfreserve der Partei“, wie der eigentlich überparteiliche DDR-Jugendverband FDJ ziemlich wahrheitsgetreu offiziell bezeichnet wurde, überlebte die Wende nur mit Müh und Not. Das Überbleibsel der einst Millionen Mitglieder starken FDJ ist im Berliner Karl-Liebknecht-Haus der PDS nur noch mit einem Anrufbeantworter präsent.
Daß man in den letzten Wochen selbst über den keinen Kontakt zum FDJ-Bundesvorstand bekam, mag vielleicht daran gelegen haben, daß die Nachhut der DDR- Jugendavantgarde auf Unterschriften-Sammeltour für einen FDJ-Förderkreis war. Erfolg hatte sie dabei bei einem, der selbst von 1949 bis 1961 hauptamtlicher FDJ- Funktionär war. Der PDS-Ehrenvorsitzende Heinz Modrow unterzeichnete den Gründungsaufruf für den Förderkreis, weil die FDJ ein Stück DDR-Geschichte sei, mit der man sich auseinandersetzen müsse. Als Jugendverband für die PDS betrachtet er die FDJ zwar nicht, aber eine linke Jugendorganisation fände er nicht übel. Doch die Initiative dazu müßte natürlich „von den jungen Leuten selbst“ ausgehen. Dieser Jugendverband sollte „seinen Platz dann so suchen, daß er wie andere auch Fördermittel des Staates beanspruchen kann“. PDS-Abgeordnete kämen als Berater sicherlich in Betracht, allerdings erkennt Modrow eine „gewisse Unbeholfenheit“ bei den jüngeren Genossen beziehungsweise den Sympathisanten.
Den zunehmenden Wunsch nach einer Jugendorganisation hat auch Parteichef Lothar Bisky bei vielen Gesprächen an der Basis beobachtet: „Wo immer ich hinkomme, wird danach gefragt.“ Ja, es gebe „diesen Traum“, die Nachwuchsarbeit in etwas organisierteren Strukturen zu führen. Zumal gerade die Altersstruktur der PDS-Mitgliedschaft eine deutliche Verjüngung vertragen könnte. „Die Frage ist nur, ob ein Jugendverband der richtige Weg ist“, überlegt Bisky. Manches spreche dafür, anderes dagegen. Ansonsten ist er jedoch überzeugt, daß „das Problem in drei, vier Jahren geklärt ist“. Zwar werde immer mal wieder die Gründung eines PDS-Jugendverbandes diskutiert, aber das sei alles „nicht spruchreif“. Auf jeden Fall werde es keine Vorstandsbeschlüsse dazu geben, die jungen Leute müßten die Sache schon selbst anschieben. Die von Bisky „akzeptierte Realität“ sei aber, daß die jungen Leute in und bei der PDS gar nicht so organisiert sein wollten.
Womit vor allem die AG Junge GenossInnen gemeint ist. Deren lockeres Verhältnis zur PDS zieht viele oft auch linksradikale Sympathisanten zur Jugend-AG. Und die Jungen GenossInnen sind ganz zufrieden damit, wie die Beziehung zur Partei derzeit ist. Zum offiziellen Jugendverband der PDS fühlt man sich da überhaupt nicht berufen. „Außer den Geldzuweisungen hätte das auch keine Vorteile“, sagt Halina Wawzyniak, eine von zwei Abgesandten der AG im Bundesvorstand der Partei. Im Gegenteil, der Selbstvertretungsanspruch der Jungen GenossInnen würde nur konterkariert. Man wolle gar keine festen Strukturen, damit die jungen Leute eher bereit sind, sich mit Politik zu beschäftigen. Die Jusos und die Junge Union hätten dagegen doch bloß eine Spielwiese zum Rummotzen gekriegt. Die entschiedene Ablehnung eines PDS-Jugendverbandes resultiert bei den JunggenossInnen auch aus den „Erfahrungen mit dem letzten großen Jugendverband“. Deshalb wollen sie mit der FDJ nichts zu tun haben. Weil deren Politik „stalinistisch und weltfremd ist, gibt es keine Ebene der Zusammenarbeit“.
Das Projekt PDS-Jugendorganisation ist deshalb nicht vom Tisch. Der letzte Versuch fand im November in Hannover statt, wo ein Sammeltrupp namens „Marxistische Offensive“ in selbige ging. Obwohl die ein ziemlich chaotischer Verein zu sein scheint, will sich Lothar Bisky doch mal mit denen treffen, um zu erfahren, was sich dahinter verbirgt. Gunnar Leue
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