: Teddybär total
■ Im Hobbykeller ist der Bär los: Der Teddy kehrt zurück - ein Trendbericht vom „3.Langwedel Hobbymarkt“.
Und plötzlich hat auch Langwedel sein Parkplatzproblem. Wo sonst die gepflegte Langeweile noch den Einkaufsgang zum erholsamen Spaziergang macht, herrschte am Wochende aufgeregte Aktivität. Der Andrang deutete auf ein Groß-Event hin, die Nummernschilder signalisieren Besucher aus der Ferne. Ein besonders günstiger Gebrauchtwagenmarkt, Rheumadecken-Verkauf oder die Diskussion einer neuen Umgehungsstrasse? Weit gefehlt. Der Anlaß trägt einen bescheidenen Namen: „3. Langwedler Hobbymarkt.“ Das klingt nach gehäckelten Topflappen und den plumpen Resultaten erster Töpferversuche. Doch wer durch die Verkaufsstände im Rathaus schlendert, findet eine Überraschung: die Produkte sind ausgesprochen professionell und - der Zeitgeist ist präsent. Hier feiert Teddy sein comeback. Die angesagtesten Objekte für das liebevoll dekorierte Eigenheim, hier sind sie erhältlich. Neben Klassischem: den Fensterbildern mit österlichen Motiven, dekorativen Halsketten, 20teiligen Töpferservicen, die Trendsetter: der amerikanische Quilt, hier in der Langwedler Version, Puppenmöbel für Sammelwütige und der Star der Dekoecke der 90er, der Teddybär.
Katja Lenzner, die Gestalterin ist ihren Bären Mutter und Vater in einem. Denn ohne sie käme keines der pelzigen Geschöpfe auf die Welt. Mittlerweile ist die gelernte Einzelhandleskauffrau der Teddy-Leidenschaft mit Haut und Haar verfallen. Zwar ist sie noch im elterlichen Betrieb, einem Gardinen-Fachgeschäft, beschäftigt, aber seit dreieinhalb Jahren näht sie Bären. „Ich muß mich jetzt entscheiden.“ sagt Katja Lenzner, die noch im Ohr als Schmuckstück einen goldenen Teddy trägt, dort wo der Steiff-Teddy seinen legendären Knopf hat. „Aber das ist schwer. Soll ich weniger machen oder mehr? Zur Zeit nähe ich in jeder freien Minute Teddys. Aber neben der vollen Stelle wird das zuviel. Ich kann aber auch nicht aufhören, da sind noch so viele Ideen. Ich komme ständig auf neue Motive, auf neue Teddy-Typen. “ Das Los teilt sie mit vielen Hobbykünstlern, denen die Freizeitbeschäftigung zur Lebensaufgabe wird. Bei Katja Lenzner spielt jedoch die länder- und kontinenteübergreifende Teddy-Manie mit hinein. „Hätte ich noch ein halbes Jahr eher begonnen und mehr Selbstbewußtsein für das Marketing entwickelt wie andere, könnte ich mich jetzt selbstständig machen.“ Aus der sammelleidenschaft ist ein wirtschaftlicher Boom geworden. In einschlägigen Teddy-Fachzeitschriften wie z.B.der Abo-Zeitschrift „Teddybär und seine Freunde“ inserieren Hobbykünstlerinnen 30 Zentimenter große handgebastelte Kuscheltiere für bis zu 500 Mark. Bei Katja Lenzner kostet ein Bär an dem immerhin eine ganze Nacht lang gearbeitet wurde, 95 Mark.
Das eigene Schnittmuster ist der Stolz jeder Bärenmacherin. Bevor der Bär seine Gestalt annimmt, gilt es einen Schnitt für die einzelnen Fellteile zu entwerfen. Erst dann wird der Körper zusammengenäht und das Fell gewendet. Anschließend wird der noch schlaffen Körper mit Holzwolle auszustopfen und zum Schluß Nase und Augen aufgetickt.
Daß ihre Bären unverkennbar sind, beweisen Katja Lenzner nicht nur die auf Messen und Wettbewerben gewonnen Preise. Sie widerstehe bei ihren Modellen dem Hang zur Niedlichkeit, wie er vielen Plüschtier-Billigprodukten zueigen sein. Der klassische Bärenkörper mit relativ langgestreckten Gliedmaßen mache ihre Teddys scheinbar zu historischen Zeitgenossen von Pu dem Bären. Dessen Aussehen noch an die Entstehungszeit des Teddybären vor 80 Jahren erinnert. Die Besonderheit der „KaLe-Bären„ sei die Schnauze, deren Vorbild ganz unbärenhaft von Katjas Hund stammt. „Irgenwann ist es mir mal gelungen den Hund aufs Bügelbrett zu bugsieren und die Form der Schnauze auf Papier zu zeichnen. Seitdem haben meine Bären eine Hundeschnauze.“
Das alles kann man auch Lernen. Frau Lenzner bietet Kurse an, „In kleiner Runde fertigen Sie Ihren persönlichen Teddybär.“ heißt es auf dem Faltblatt, der sich an die stetig wachsende Zahl von Teddy-Besessenen wendet. Denn ein Ende der Teddy-Manie ist noch nicht abzusehen: Die amerikanische Modezeitschrift „Harper's Bazaar“ hat ein reinen „Teddy's Bearzaar“ herausgegeben auf kostbarem Hochglanzpapier, Neues aus der Modewelt der Bärin, vom Brautkleid bis zum Sportdress, perfekt imitiert bis zur Fake-Anzeige eines „bearablen“ Parfüms für die Bärin von heute, die aus dem französischen „Lacome“ „Bearcome“ macht. Auch in Deutschland ist der Zuspruch steigend: Teddy-Messen, Teddy-Wettbewerbe bei denen in verschiedenen Klassen Preise ausgeschrieben sind und Teddy-Großereignisse wie die „2.Teddy-Bär-Total“ in Hennef Ende April. Auch wenn das Zentrum der norddeutschen Teddybären-Produktion in Langwedel zu liegen scheint, Bremen schwimmt mit auf der Welle. Hier hat vor Monaten eine „Bären-Klinik“ eröffnet. Nach der Entstehung auf dem heimatlichen Bügelbrett nun die Reperaturwerkstatt für Teddy-Bären, die vor lauter Liebesbezeugungen Quetschungen und abgewetzte Nasen haben?
Susanne Raubold
Wer sich für das Thema Interessiert oder gar zur „Teddy-Bär-Total“ am 27. 4. nach Hennef mitfahren möchte rufe: 04232/7711 an.
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