: „Schlagzeilen sind großartig“
■ Sudans Islamistenführer Hassan al-Turabi über die Konferenz
taz: Bei der Anti-Terror-Konferenz wird die islamistische Bewegung stark kritisiert werden.
Hassan al-Turabi: Das Ganze ist wohl mehr von Wahlpsychologie im fernen Westen getrieben. Ich glaube nicht, daß sich die Konferenz mit den Symptomen in aller Tiefe auseinandersetzen wird. Keiner setzt sich in diesem Konflikt mit dem anderen auseinander – das ist das System.
Ghazi Salah Eddin, Vorsitzender des sudanesischen Volkskongresses, hat gesagt, daß der Versuch, die islamistische Bewegung zu zerschlagen, nur zu einer Ausbreitung des Phänomens führt.
Es wird die Aufmerksamkeit auf jene lenken, die jetzt niedergeschossen werden oder vor Militärgerichten verurteilt werden. Das wiederum wird eine neue Generation inspirieren und einige zu wilden Reaktionen veranlassen. In jedem Fall wird die Welle des islamischen Bewußtseins größer, ob man das nun negativ oder positiv sieht.
Wenn Sie auf die Anti-Terror- Konferenz eingeladen wären und eine Rede halten könnten, was würden Sie sagen?
Daß Frieden eine gegenseitige Angelegenheit ist. Wenn eine Seite aggressiv ist, wird die andere antworten. Behandelt die Symptome! All die undemokratischen Regierungen, die mit dem Westen verbündet sind, müssen demokratisiert werden. Das würde die Gesellschaften befrieden.
Erwarten Sie eine unterschiedliche Herangehensweise in Europa und den USA an das Thema Terrorismus im Nahen Osten?
Durchaus möglich. Die Vereinigten Staaten wollen, daß Europa den islamischen Fundamentalismus als Zielscheibe auserwählt. Die Europäer kennen die südliche Hemisphäre besser. Schon heute gibt es Unterschiede in der Politik gegenüber dem Iran.
In der Vergangenheit gab es mehrere Vermittlungsversuche von Ihrer Seite zwischen der PLO und Hamas. Könnten Sie jetzt eine ähnliche Rolle übernehmen?
Ich habe wieder versucht, beide Seiten zu kontaktieren. Ich kenne beide lange und versuche mein Bestes, daß die Palästinenser ihre Energien nicht gegeneinander verschwenden. Bisher habe ich auf meine Bemühungen aber noch keine Reaktion bekommen.
Der Sudan ist neben dem Iran, Libyen und Syrien in der Konferenz als „Unterstützer des Terrorismus“ in die negativen Schlagzeilen geraten. Starten Sie eine Gegeninitiative?
In den Schlagzeilen zu sein, selbst wenn sie negativ sind, ist großartige Propaganda. Viele muslimische Gemeinschaften in aller Welt haben mir erzählt, daß sie noch nie vom Sudan gehört hatten, bevor er in den westlichen Schlagzeilen auftauchte. Am Ende haben sie an dem Land doch Gefallen gefunden, das irgendwie unabhängig und originell sein muß.
Also echte Zufriedenheit über negative Berichterstattung?
Ich würde objektive Berichterstattung bevorzugen. Aber negativ oder positiv: Es wird das Image des Sudan verbessern.
Interview: Karim El-Gawhary,
Khartum
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