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Die Saat geht auf

■ Das multiethnische Symbol Sarajevo wird zerstört

Sarajevo bleibt ungeteilt und eine multiethnisch bewohnte Stadt. Diese Vereinbarung hatten die Regierungen in Bonn, Washington, Paris, London und Moskau stolz als eines der wichtigsten Ergebnisse des Dayton-Abkommens präsentiert. Doch ernstgemeint haben die fünf Garantiemächte des Abkommens dies ebensowenig wie die Serben in Pale und Belgrad. Das haben sie in den letzten Tage und Wochen nachdrücklich unter Beweis gestellt.

Der fast totale Exodus der serbischen Bevölkerung aus bislang vier der fünf Stadtteile Sarajevos, die laut Dayton-Vertrag unter Verwaltung der muslimisch-kroatischen Föderation fallen, wäre bei entsprechendem politischen Willen zu verhindern gewesen. Seit Anfang Februar war der Ifor und den fünf Mächten wohlbekannt, daß die nach wie vor von den Kriegsverbrechern Karadžić und Mladić gesteuerte Serbenführung in Pale eine Kampagne beschlossen hatte, diese Gebiete serbenrein zu machen und der internationalen Gemeinschaft eine neue humanitäre Katastrophe zu bereiten. Die jüngsten Brandschatzungen und Plünderungen, die Einschüchterungen, Morde und Terrorakte gegen Serben, die bleiben wollten – all dies war absehbar.

Mit der Behauptung, es sei trotz Anwesenheit 60.000 schwerbewaffneter Ifor-Soldaten nicht zu verhindern gewesen, machen sich General Leighton Smith und die anderen Kommandeure der Truppe nur noch lächerlich. Die politische Verantwortung dafür liegt allerdings bei den Regierungen der Truppen stellenden Staaten, die den Ifor- Kommandeuren keine anderen Weisungen erteilt haben.

Für die weitere Umsetzung der zivilen Teile des Dayton-Abkommen lassen die Ereignisse bei Sarajevo Schlimmes befürchten, insbesonders für die Rückkehr von Flüchtlingen, die bei einer Rückkehr nun noch weniger auf Unterstützung der Ifor rechnen können. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, daß sie – wenn überhaupt – nur noch in den von „ihrer“ ethnischen Gruppe kontrollierten Teilstaat zurückkehren werden. Von Sarajevo, einst Symbol multiethnischen Zusammenlebens für ganz Europa, geht nun das Signal zur völligen ethnischen Trennung aus. Die faschistische Saat der Karadžić, Milošević und Tudjman geht immer weiter auf. Andreas Zumach, Genf

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