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Wenige Jahre, nachdem Westafrikas Diktaturen zerbröckelten, kehren die Machthaber von früher zurück. In Benin könnte ein Alt-Diktator durch freie Wahlen wieder an die Macht kommen, in mehreren Ländern rebelliert das Militär. Viele Menschen ziehen aufrechte Soldaten korrupten Politikern vor. Von Dominic Johnson

Afrikas Elend bringt die Diktatoren zurück

Seine Anhänger loben ihn als Musterdemokraten. Sich selbst hielt Mathieu Kérékou, als er noch das westafrikanische Benin regierte, für einen Sozialisten. Kritische Beobachter nennen ihn „das Chamäleon“.

1991 wurde der selbsternannte Marxist nach 18 Jahren Diktatur in freien Wahlen geschlagen. Jetzt könnte Kérékou ganz demokratisch die Macht zurückgewinnen. Im ersten Durchgang von Benins Präsidentschaftswahl am 3. März erreichte er 34 Prozent der Stimmen, kaum weniger als der vor fünf Jahren als Hoffnungsträger gewählte Nicéphore Soglo.

Unter der Parole „Alle gegen Soglo“ haben sich nun so viele unterlegene Kandidaten mit Kérékou verbündet, daß dieser die Stichwahl souverän gewinnen müßte. Angesichts der absehbaren Niederlage hat Soglo gestern aus „technischen“ Gründen die für Sonntag fällige Wahl um zunächst vier Tage verschoben – das ist wenig demokratisch.

Nur wenige Jahre, nachdem eine Militärdiktatur nach der anderen im Rhythmus von Massenprotesten und Volksaufständen ins Wanken geriet und eine freiere politische Kultur zu wachsen begann, hallt wieder politischer Wandel durch Westafrika – aber nicht Demokratie ist im Anmarsch, sondern Militärherrschaft. Am 27. Januar stürzte die Armee in Niger die junge parlamentarische Demokratie, eine Woche später brannte der Präsidentenpalast in Guinea bei einem Soldatenaufstand. Kurz darauf entfachten unterbezahlte Milizionäre in Kongo um ein Haar einen Bürgerkrieg. Nun tauchen auch in Benin, einst Vorreiter der Demokratisierung, die Gespenster der Vergangenheit wieder auf.

Schon als Kérékou 1972 mit einem Militärputsch die Macht ergriff, begründete der damals 49jährige Offizier seinen Coup mit dem Bedürfnis, Unordnung und Korruption auszurotten. Seinen Wiederaufstieg erlebt er in einer Zeit, in der solche Parolen in Westafrika wieder in Mode kommen. Nigers Armeechef Ibrahim Baré Mainassara begründete seinen Coup im Januar mit dem „Durcheinander“ der zivilen Politiker („gabegie“), das „im Interesse der Nation“ beendet werden müsse. Den Begriff „gabegie“ benutzten Anfang Februar auch die unzufriedenen Soldaten von Guinea.

In Zeiten wirtschaftlicher Krise sind solche Erschütterungen kein Ausdruck irgendeiner Ideologie, sondern sie sind Ergebnis des Scheiterns der zivilen Politiker, das Elend zu lindern, in dem die Mehrheit der westafrikanischen Bevölkerungen lebt. Die Bürger von Niger weinten den Zivilherrschern keine Träne nach, genausowenig wie sie den Zusammenbruch der bankrotten Militärdiktatur Anfang der 90er Jahre bedauert hatten. Guineas Präsident Lansana Conté stürzte nur deshalb nicht, weil der von den Putschisten als Staatschef auserkorene Offizier ablehnte und die Soldaten dann beim Versuch, den Präsidentenpalast zu erobern, auch Wohnviertel kaputtschossen und die Leute verärgerten.

Kérékou bestreitet seinen Wahlkampf in Benin mit dem Protest gegen Verarmung unter der Weltbank-inspirierten Strukturanpassung. Präsident Soglo verweist zwar darauf, daß Kérékou vorher in 18 Jahren Diktatur das Land ökonomisch völlig runiniert hatte: „Um 1989 wurde Benin jedes Jahr um zwei Prozent ärmer“, erklärt eine Bilanz von Soglos Amtszeit; „der heutige Aufschwung macht das Land jedes Jahr um vier Prozent reicher.“ Zugleich gehören aber so wesentliche Dinge wie die Verringerung der Arbeitslosigkeit zu den „Zukunftsaufgaben“, die Soglo den Bürgern erst für den Fall seiner Wiederwahl verspricht.

In Benin wie auch anderswo spüren die Bürger kaum positive Auswirkungen des nach wie vor geringen Wirtschaftswachstums. Vielmehr merken sie, daß sich ihre Regierungen mit der Abzahlung von Auslandsschulden neue Auslandshilfe erkaufen, während zugleich im Staatsdienst Stellen gestrichen und Dienstleistungen verteuert werden.

1991 bis 1995 leistete Benin gegenüber dem Ausland einen Schuldendienst von 75 Milliarden CFA- Francs (220 Millionen Mark) – fast soviel wie der Umfang des laufenden Fünfjahresplans für das Gesundheitswesen, der 110 Milliarden CFA-Francs umfaßt. In Niger umfaßte der Schuldendienst 1993 31 Prozent der Exporteinnahmen – mehr als in jedem anderen westafrikanischen Land. Selbst die Weltbank gestand 1994 in einem Bericht ein, daß die Staaten Afrikas vor dem Jahr 2003 nicht mit wesentlichen ökonomischen Verbesserungen rechnen könnten. „Die Militärs sind sauer, denn sie sind schlecht bezahlt“, ging schon vor vier Jahren ein Lied von Alpha Blondy, Sänger aus der Elfenbeinküste: „Die Polizisten sind sauer, denn sie sind schlecht bezahlt... Die Regierung ist sauer, ihre Kasse ist leer, leer!“

In einer solchen Stimmung können auch die gutwilligsten Beobachter auf die Idee kommen, aufrechte Soldaten seien besser als korrupte Politiker. So überraschte die wegen ihrer Kampagnen gegen Mädchenbeschneidung auch in Deutschland bekannte Frauenrechtlerin aus Gambia, Binta Sidibe, im vergangenen Oktober auf einem Kongreß in Berlin mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für die herrschenden Militärs in ihrer Heimat. In der Elfenbeinküste, wo eine fest etablierte Elite Politik und Wirtschaft vollständig beherrscht, wünschten sich manche Regimegegner vor den von der Opposition boykottierten Wahlen von 1995 sehnsüchtig einen Militärputsch als Startschuß für politischen Wandel. Die neuen Herren in Niger finden den Beifall des senegalesischen Sängers Youssou N'Dour, der die Einnahmen seiner bevorstehenden Niger-Tournee der dortigen Militärregierung spenden will.

Nigers Militärs versuchen nach Kräften, einen positiven Eindruck zu erwecken: Sie haben die Respektierung der Menschenrechte und die Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen bis Ende September versprochen. Ihre Taten sprechen aber eine andere Sprache: Aus den eigenen Reihen hat das Militär neue Gebietspräfekte mit unbestimmter Amtszeit ernannt. Die Polizeigewerkschaft und die staatliche Nachrichtenagentur wurden „suspendiert“, mehrere unabhängige Journalisten sind nach Übergriffen von Soldaten in den Untergrund gegangen.

Das klingt nicht nach einem demokratischen Aufbruch, sondern erinnert an das Land mit der brutalsten Diktatur der Region: Nigeria. Die Opposition Nigerias ist überzeugt, daß ihr seit 1993 herrschender Präsident Sani Abacha eine „Kultur der Militärputsche“ in Westafrika verbreitet. Sagte nicht Nigers neuer Präsident Mainassara kürzlich: „Afrika braucht Männer wie Sani Abacha“? Nigerias Bevölkerung ist mit 100 Millionen Menschen größer als die aller anderen westafrikanischen Staaten zusammen, und das Land hat die mächtigste Armee der Region.

Da Nigerias Diktatur zur Zeit stabiler erscheint als viele Zivilregierungen Westafrikas, könnte das nigerianische Modell durchaus Gefallen finden, besonders wenn die Geldgeber mitmachen: Frankreich hat gerade die Wiederaufnahme der nach dem Putsch suspendierten Entwicklungshilfe an Niger angekündigt. „Das Militär ist wie eine Ziege, die einmal ihre Schnauze in ein Salzfaß getunkt hat“, sagt Taiwo Akinola, Exilvorsitzender der nigerianischen „Kampagne für Demokratie“ in London. „Man muß sie immer wieder schlagen, um sie daran zu hindern, den Rest des Salzes zu verschlingen“.

Aber schon jetzt ist klar, daß die Militärs die von ihnen erweckten Erwartungen nicht erfüllen können. In Niger hat der IWF wegen des Putsches ein geplantes Kreditabkommen suspendiert, und damit verschwindet eine Finanzspritze von 51 Milliarden CFA-Francs (150 Millionen DM) – die Hälfte des Staatshaushalts. So wird Niger, das laut UNO schon jetzt die niedrigste Lebensqualität der Welt hat, noch ärmer. Als Reaktion tun Nigers Militärs genau das, weswegen Westafrikas Bürger immer wieder ihre Regierungen zur Hölle wünschen: Sie haben die Gehälter gesenkt und alle Angestellten zu „freiwilligen“ Spenden aufgerufen, um die Haushaltslöcher zu füllen. Sieht so Afrikas Zukunft aus?

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