: „Wenig hilfreich“ in den Rücken gefallen
■ Tarifrunde Metall: Erste Warnstreiks / Unternehmer fordern Sozialabbau
In der Tarifrunde für die 170.000 MetallerInnen im Norden geht es langsam ans Eingemachte: Am Sonntag früh gab es in Norderstedt (Kreis Pinneberg) einen ersten Warnstreik. Rund 20 Arbeiter eines Herstellers von Diamanthartkristallwerkzeugen traten für eine halbe Stunde in den Ausstand und versammelten sich zu einer Kundgebung vor dem Werkstor, sagte ein IG Metall-Sprecher am Sonntagabend. Auch für den Beginn der gestrigen Nachtschicht um 23 Uhr hatte die IG Metall Warnstreiks geplant.Eine Stellungnahme der Arbeitgeberseite zu der Aktion vom Sonnabend gibt es bisher nicht.
Schon am vergangenen Dienstag hatte die IG Metall Küste zu Streikaktionen und Überstundenverweigerungen nach Ablauf der Friedenspflicht aufgerufen. Der Bundesvorstand der DAG will heute über Anträge mehrerer Tarifkommissionen auf Durchführung befristeter Warnstreiks beschließen. Die IG Metall fordert sechs Prozent mehr Lohn, zusätzliche Festgeldpauschalen für die unteren Lohngruppen, Anhebung der Ausbildungsvergütung um 100 Mark sowie Tarifnormen für Teilzeitarbeit.
Fünf Verhandlungsrunden haben in den vergangenen Wochen die IG Metall und die Vertreter des Unternehmerverbandes „Nordmetall“ hinter sich gebracht, ohne sich in den entscheidenden Punkten näher zu kommen. Im Gegenteil: Der Forderung nach höheren Löhnen und Gehältern halten die Metallbosse den Gewerkschaften ein Kostendämpfungsprogramm entgegen, was wohlklingend „weitere Kostenentlastung durch Kompensation der Einkommenshöhe“ umschrieben wird.
IG Metall Küste-Chef Frank Teichmüller bezeichnet es vielmehr mit: „Linke Tasche, rechte Tasche.“ So wollen die Unternehmer für eine Anhebung der Löhne um 3,5 Prozent eine Öffnungsklausel für Klein- und Mittelbetriebe unter 1000 MitarbeiterInnen. Im Klartext: In diesen Betrieben soll der Tarifvertrag nicht mehr gelten, die Gewerkschaft aber dennoch durch die Tarifvereinbarung an die Friedenspflicht gebunden sein. Ferner streben die Unternehmer die Einführung einer Einstiegsniedriglohngruppe für Langzeitarbeitslose sowie die Verschiebung des Inkrafttretens der 35-Stundenwoche zum 1. Oktober an – beziehungsweise einen Verzicht auf den Lohnausgleich.
Für die IG Metall wird diese Tarifrunde nicht einfach werden, da sie derzeit an zwei Fronten zu kämpfen hat: Einerseits der Versuch der Metallbosse, am sozialen Besitzstand der Beschäftigten zu rütteln, andererseits die unsägliche Diskussion nach Wiedereinführung der Samstagsarbeit, auf die sich DGB-Chef Dieter Schulte und DGB-Landeschefin Karin Roth eingelassen haben. Die IG Metall-Tarifkommission in Abgrenzung zu Karin Roth: „Der Samstag bleibt frei!“ Frank Teichmüller bezeichnete im Verlauf dieser Tarifkommissionssitzung die DGB-Diskussion um die Samstagsarbeit als „wenig hilfreich“, weil dadurch der Tarifbewegung der MetallerInnen in den Rücken gefallen werde.
Auch im vergangenen Jahr mußte es in der Tarifauseinandersetzung im Norden erst zu massiven Warnstreiks kommen, bevor die Unternehmer bereit gewesen waren, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen. Kai von Appen
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