: Nutzen statt verschmutzen
■ Trotz zahlreicher Probleme wird im Frühjahr mit dem Bau der Bramfelder Öko-Siedlung Braamwisch begonnen Von Marco Carini
Im Frühjahr soll der Grundstein gelegt werden – und nur ein Jahr später die gesamte Siedlung fertig sein. Am Bramfelder Carsten-Reimers-Ring, unweit des Umweltzentrums Karlshöhe, beginnen nach jahrelangen Vorbereitungen die Bauarbeiten des ökologischen Siedlungsprojekts „Braamwisch“. 40 Reihenhäuser mit höchstem Umweltstandard sollen hier entstehen. Heißer Tip für alle ÖkologInnen mit Eigenheimwunsch: Für etwa zehn Umwelthäuser wird noch einE bauwilligeR BesitzerIn gesucht.
Seit 1986 bastelt eine private Initiativgruppe an dem ökologischen Wohnmodell, 1992 gründete sie den Verein „Ökologische Siedlung Braamwisch“. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen stellte die Liegenschaft der Finanzbehörde Anfang 1994 endlich auch das gewünschte, 12.000 Quadratmeter große Baugrundstück zur Verfügung. Nun soll mit der ersten Frühlingssonne der erste Spatenstich getan werden.
Erklärtes Ziel der rund 30 Vereinsmitglieder ist es nicht nur, umweltverträglich zu wohnen, sondern auch sozial vernetzte Wohnformen zu entwickeln, die über normale nachbarschaftliche Kontakte hinausgehen. So sehen die Baupläne etwa zwei Gemeinschaftshäuser für gemeinsame Aktivitäten, etwa die Arbeit einer Naturkostkooperative, vor. Ein zentraler, autofreier Marktplatz soll zum Kommunikationsmittelpunkt vor allem in der wärmeren Jahreszeit werden.
Vor allem aber geht es den SiedlerInnen in spe darum, einen Lebensraum zu schaffen, „in dem die Natur genutzt statt verschmutzt wird“. Statt Beton und Stein sollen umweltfreundliche Baumaterialien wie Lehm(ziegel) und chemisch unbehandeltes Holz verwendet werden. Die Dächer sollen mit Solarkollektoren für die Warmwassergewinnung ausgerüstet werden, Heizungswärme soll mit Hilfe eines unterirdischen Wasserspeichers ebenfalls durch Sonnenenergie gewonnen werden.
Durch eine überdurchschnittliche Wärme-Dämmung mit Naturmaterialien werden die „Niedrigenergiehäuser“ nur rund ein Drittel der üblichen Heizenergie verbrauchen. Das Abwasserkonzept setzt ganz auf Autarkie: Komposttoiletten statt Wasserspülung heißt die Devise, in Grauwasserkläranlagen soll verschmutztes Waschwasser soweit aufbereitet werden, daß es bedenkenlos in die Gräben und Vorfluter abgeleitet werden kann. Die Nutzung von Regenwasser zum Waschen und die Kompostierung von Bio-Müll komplettieren das ökologische Wohnkonzept.
Zudem wird die geplante Siedlung nahezu vom Autoverkehr verschont bleiben: An ihrem Rand sind lediglich sechs BesucherInnenparkplätze und 14 Stellflächen für Car-Sharing-Fahrzeuge geplant. Der Wohnbereich selbst wird autofrei sein, private Blechkarossen soll es nicht geben.
Doch inzwischen werden die Öko-Standards von einigen Vereinsmitgliedern in Frage gestellt. Sie wollen auf das eigene Auto nicht verzichten. Die Abschaffung aller Privat–Pkws und auch die Etablierung anderer Umwelt-Standards sei „nie Stand der Diskussion“ gewesen. Da der Verein keine rechtliche Handhabe hat, die Bau-Interessenten auf das gemeinsam entwickelte Öko-Konzept zu verpflichten, hoffen Vereinsmitglieder wie Ralph Balhorn nun auf „Schützenhilfe aus den Behörden“. Sie sollen die Bauplätze möglichst nur an InteressentInnen vergeben, die sich verpflichten, die ökologischen Vorgaben des SiedlerInnen-Vereins zu erfüllen.
Problem Nummer zwei: Obwohl der Baubeginn der Siedlung unmittelbar bevorsteht, fehlen noch InteressentInnen, die genug ökologisches Bewußtsein und Startkapital aufbringen, um sich an dem Projekt zu beteiligen. Zehn Reihenhäuser mit einer Wohnfläche zwischen 93 und 120 Quadratmetern suchen noch eineN BesitzerIn. Zwischen 430.000 und 500.000 Mark werden die Wohneinheiten kosten. Die Finanzierung kann über die Wohnungsbaukreditanstalt abgewickelt werden, rund 15 bis 20 Prozent Eigenkapital sind aber vonnöten.
Für alle InteressentInnen findet am kommenden Freitag um 16 Uhr ein Informationstreffen im Bramfelder Kulturladen (Brakula), Bramfelder Chaussee 265, statt. Zudem ist das Büro des Vereins (Tel.: 642 60 47) am Montag und Donnerstag zwischen 9 und 13 Uhr besetzt, rund um die Uhr sorgt aber ein Anrufbeantworter dafür, daß keine Nachricht verloren geht.
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