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Wilder Westen beim DGB

■ Landesbezirk setzt Kreisvorsitzenden und Betriebsrat vor die Tür / Gewerkschafter verklagt Gewerkschaft Von Kai von Appen

Wenn es um die Beschneidung von Betriebsrats-Rechten geht, schreien die Gewerkschaften zu Recht schnell auf. Doch wenn arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen im eigenen Haus anstehen, dann scheint zumindest der DGB mit dem Betriebsverfassungsgesetz auf Kriegsfuß zu stehen. Aktueller Fall: Der Husumer DGB-Kreisvorsitzende und Nordmark-Betriebsrat Andreas Brändle wurde ohne Anhörung des Betriebsrates vor die Tür gesetzt.

Zur Vorgeschichte: Brändle leitete seit fast zwei Jahren in Husum den 12.000 Mitglieder umfassenden DGB-Kreis Nordfriesland – regulär ist seine Wahlperiode (und damit Arbeitsverhältnis) erst 1997 abgelaufen. Im Zuge der „Strukturreform“ hatte die Hamburger DGB-Landesbezirkszentrale um Karin Roth – gegen internen Widerstand – im vergangenen Jahr verfügt, den Kreis aufzulösen und dem DGB-Kreis Flensburg zuzuschlagen.

Am 27. Dezember wurde Brändle nun von seinem Arbeitgeber aus dem Besenbinderhof schriftlich mitgeteilt, daß er am 2. Januar 1995 nicht mehr zur Arbeit in Husum erscheinen brauche, da die Kreisgeschäftsstelle nicht mehr weiterbetrieben werde. Brändle reiste am 2. Januar dennoch nach Husum, um – wie notwendig – seine Arbeitskraft anzubieten. Diesmal signalisierte die Hamburger DGB-Zentrale telefonisch, daß auf seine Arbeitskraft verzichtet werde und er sofort die Schlüssel abzugeben habe. Im Klartext: Hausverbot!

Damit nicht genug. Kurz darauf schrieb ihm der DGB-Landes-Vize Karl-Heinz Köpke im Auftrag von Landeschefin Karin Roth, daß nunmehr auch die „Grundlage zur Wahrnehmung des Betriebsratsmandates“ im Landesbezirk entfallen sei und daß er der nächsten Betriebratssitzung fernzubleiben habe. Brändle war von DGB-MitarbeiterInnen in den Landesbezirks-Betriebsrat gewählt worden.

Andreas Brändle erschien trotzdem – sehr zum Mißfallen der DGB-LandesvorständlerInnen – zur Sitzung der Belegschaftsvertretung und bekam prompt Rückendeckung. Der Betriebsrat erklärte die Kündigung als „gegenstandslos“, das Gremium geht vielmehr davon aus, daß das „Arbeitsverhältnis fortbesteht“. Trotzdem wird Brändle bislang nicht weiterbeschäftigt.

Der DGB-Landesbezirk begründet sein Vorgehen damit, daß mit der Auflösung des Kreises Nordfriesland nicht nur Brändles Arbeitsplatz entfällt, sondern auch das Betriebsratsmandat erlischt. Motto: Kein Arbeitsverhältnis – kein Betriebsratsmandat. DGB-Sprecher Günther Rabe zur Kreisauflösung: „Das ist keine Kündigung, sondern die Beendigung einer Wahlfunktion.“ Und zur Intervention des Betriebsrates: „Man wird prüfen müssen, welche Auffassung korrekt ist.“

Brändles Anwalt Dieter Magsam hält das Vorgehen für rechtswidrig: „Eine derartige kalte Verabschiedung geht so nicht.“ Auflösungsvereinbarungen, die der Arbeitgeber selbst beeinflussen kann, seien unzulässig. Magsam: „Der DGB hat selbst die Voraussetzung geschaffen, auf der er den Rausschmiß begründet.“

Auflösungsvereinbarungen seien nur dann zulässig, wenn der Beschäftigte auf die Bedigungen selbst Einfluß nehmen kann. Beispiel: Wahlmandate, bei denen er selbst um die Wiederwahl ringen, oder Basis-Abwahlen, bei denen der Betroffene um seinen Verbleib kämpfen kann. Magsam: „Hier wird nach dem Motto verfahren: Man schubst eine alte Oma die Treppe runter und fragt sie dann, warum rennst Du so?“ Magsam hat Klage beim Arbeitsgericht eingereicht.

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