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Orte solcher Kraft

■ Wie stark ist die Macht? Sind Künstler Mediatoren? Andreas Voß und Holger Mohaupt im Gespräch

Schleppende, rhythmisch scheppernde Geräusche durchhallen die schmale Galerie, eine sarggroße Holzkiste mit moderigem Inhalt und eine viel kleinere mit einem Videomonitor, der einen nackten, eingekastelten Menschen zeigt, stehen auf dem Fußboden. An der Wand graue Fossilien von seltsam vertrauten Tieren: schaut da nicht aus dem Beton der Rest eines Teddys? Nein, daneben ist zu lesen, es sind die Spuren eines jahrtausendealten Höhlenbären. Versteinerungen heißt die Reliefreihe von Andreas Voß, Echtzeitfürblaumann die Installation von Holger Mohaupt. Die beiden Hamburger haben ihre Gedanken zu Tod und dem, was bleibt, abgearbeitet.

Andreas Voß (AV): Die Plüschtiere in meinen oberflächlich lustigen Objekten sind hier nur ein Symbol für eine fiktive Echtheit. Die scheinbaren Fundstücke stehen für eine Zeit, die anders war als heute. Mir ist es wichtig, die Utopie zu bewahren, daß die Welt grundsätzlich anders aussehen könnte. Die Archäologie macht sich Bilder von vergangenen Welten. Künstler machen Bilder, wie die Welt sein könnte.

Holger Mohaupt (HM): Und ich habe das ganz direkt gemacht. Bisher habe ich mehr politisch gearbeitet, Videos gegen die englische Kopf-steuer und so. Es war mir wichtig, Nahtstellen zu finden, an denen ich mich reiben kann. Jetzt finde ich gar nichts mehr, kein Rädchen, wo es sich lohnt, einen Keil reinzutreiben, um was zu änderen.

Weil alles beliebig ist?

AV: Nicht weil es wirklich egal ist, sondern weil die Macht so stark ist, daß man das Gefühl hat, es hat keinen Zweck, irgendwo noch Keile hereinzutreiben. Daß es wirklich sinnlos ist, dagegen sträuben wir uns noch.

HM: Ich bin jedenfalls ganz zurückgegangen aufs Individuum und wollte etwas machen zum Ende, auch zum Ende meiner Arbeit. Aber dadurch, daß ich wieder Bilder gefunden habe, Bilder für den Tod, gab's kein Ende.

AV: Wenn du für etwas ein Bild findest, wirft es wieder neue Fragen auf, und du kannst weiterarbeiten und entkommst dem Ende. Das ist schon ein Teil der Utopie. Gerade mit dem Zusammenbruch des Ostens und der ganzen Ideologien, die angeblich nicht mehr tragen, herrscht ja eine gewisse Endzeitstimmung und die meisten unterwerfen sich der Behauptung, daß Alternativen tot sind. Aber das ist ja nur eine Behauptung.

Ihr habt mit einer Kollektiv-Arbeit an der HfbK Examen gemacht, unter anderem bei dem Theorie-Professor Fritz Kramer, der von der Ethnologie herkommt.

HM: Er hat uns durch den Blick auf Funktion von Kunst in anderen Kulturen den Kunstbegriff geöffnet: Kunst als Besinnungs- und Austauschort mit Gesellschaftsbezug.

AV: Raus aus dem goldenen Käfig der Hochschule, Kunst für den Alltag! Auch die Höhlenmaler waren schon ganz normale Künstler wie wir auch.

HM: Künstler sind wie die Schamanen Mediatoren, sie schaffen vermittelnde Orte für Wechselbeziehungen auf der Grenze zwischen Menschengemachtem und Naturgegebenheiten. Können Galerien nicht auch Orte solcher Kraft sein?

Die Galerie 7/8 Barmherzigkeit wird eher mit Cheap-Art in Verbindung gebracht. Das ist eure Installation nun aber nicht.

HM: Nein, aber im Cheap-Art-Kontext fühle ich mich nicht so unter Druck gesetzt. Ich kann hier experimentell und sehr impulsiv arbeiten. In der Kunstschule habe ich dauernd alle Sachen im endlosen Diskurs wieder verworfen. Ich finde es jetzt wichtig, der Bilderflut etwas entgegenzusetzen – zwar auch neue Bilder, aber mit großer Langsamkeit.

AV: Wir wollen von der Cheap-Art weg und trotzdem nicht elitär sein.

Fragen: Hajo Schiff

Galerie 7/8 Barmherzigkeit, Sternstr. 115, Mi–Fr 17–20 Uhr, bis 1. Februar

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