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Das Ohr zur Welt

■ Datenschützer in der Defensive

Das Kontrollnetz zieht sich zu, big brother's Ohren werden immer länger, das Mißtrauen der BürgerInnen gegen den Staat als Hüter der Grundrechte immer größer. Dieses nicht gerade optimistische Fazit zieht Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader in seiner Jahresbilanz 1994.

„Schlimmster“ Beleg für diese These, so Schrader gestern vor der Presse, sei das im vergangenen Jahr vom Bundestag beschlossene Verbrechensbekämpfungsgesetz. Auf dessen Grundlage sei der Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach nun in der Lage, jährlich bis zu 1,5 Millionen Auslandstelefonate abzuhören – ohne daß die betroffenen BürgerInnen davon erfahren. Pullach, das äußerst heimliche Ohr zur Welt.

Schraders Hoffnung für das neue Jahr: „Daß das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache ein Machtwort spricht“, ähnlich dem Urteil zur Volkszählung vor zehn Jahren. Immerhin, die Chance für „ein deutliches Signal“ besteht: Eine Verfassungsbeschwerde, erhoben vom Hamburger Jura-Professor Michael Köhler, ist in Karlsruhe anhängig.

Kritik übte Schrader auch am neuen Gesetz über das Ausländerzentralregister, das Nichtdeutsche in Sachen Datenschutz erheblich benachteiligt. Auf deren zentral gesammelte Daten habe jetzt „eine nicht mehr überschaubare Zahl von Behörden“ Zugriff. Die für Daten von Bundesbürgern geltende strikte Trennung von Polizeidaten und Geheimdienstdaten sei für AusländerInnen faktisch aufgehoben.

Eine Entwicklung, die in absehbarer Zeit auch auf die HamburgerInnen mit deutschem Paß zukommen könnte. Bei den Bürgerschaftsberatungen zum neuen Hamburgischen Verfassungsschutzgesetz hat Schrader bei den Abgeordneten die Tendenz beobachtet, „das Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizei aufzuweichen“, die Ausnahme quasi zur Regel zu machen. Nur mit Mühe hätte sein Mini-Amt im vergangenen Jahr verhindern können, daß dem Verfassungsschutz gleich ein pauschales Zugriffsrecht auf Polizeidaten eingeräumt wurde. uex

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