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Keine Böcke auf edle Kultur im Urlaub

■ Die Reiseanalysen 96 ermitteln: Jeder zweite Bundesbürger hängt in seinem Urlaub lieber am Tresen als im Museum herum. Und immer mehr bleiben zu Hause

Reisen bildet die Deutschen offenbar nicht. Die Hälfte aller Bundesbürger hängt in den Ferien lieber in der Kneipe statt im Museum herum und nimmt eher eine Gabel als ein Buch in die Hand.

Der Reiseanalyse 96 zufolge, die die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (F.U.R.) auf der ITB in Berlin vorstellte, ist hierzulande für jeden zweiten der „Gaststätten- und Restaurantbesuch“ der größter Urlaubsrenner. Repräsentative 7.863 Personen über vierzehn Jahre wurden ausgehorcht. Lange nicht so populär wie Essen und Trinken, aber immerhin auf einem der vorderen Plätze der Zeitvertreibs-Hitliste ist das Bad im Meer, im See oder in der Sonne. Hauptmotiv für den Urlaub: die Flucht aus dem Alltag.

Das war nicht immer so. Vor drei Jahren gaben die meisten der von der Reiseanalyse erfaßten Erholungsuchenden noch „Abschalten und Entspannen“ als Urlaubsmotiv Nummer eins an. Mehr Bundesbürger als zuvor bleiben ganz zu Hause. Für den Forschungsverein aus Hamburg steht deshalb fest: „Die Reiselust sinkt!“ Vor allem in Westdeutschland greift die Lustlosigkeit um sich. Dies soll am kühlen Konjunkturklima liegen. Dagegen hat das Fernweh im Osten der Republik weiterhin Hochkonjunktur. Insgesamt wurden 64,5 Millionen Reisen gezählt (3 Millionen weniger als 1995). Andere wichtige Ergebnisse der Befragung: die durchschnittliche Urlaubsdauer beträgt zwei Wochen, pro Reise werden im Schnitt 1.410 Mark ausgegeben. Hochgerechnet habe der Urlaubsetat der Bundesbürger in 1995 rund 91 Milliarden betragen, sagen die Trendforscher. Die drei beliebtesten Ziele im Inland sind Bayern, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, im Ausland Spanien, Italien und Österreich.

Die zweite große Analyse zum Reiseverhalten, der Deutsche Reisemonitor 95 vom Münchner Tourismusforschungsinstitut IPK International, erfaßt alle Urlaubs-, Privat- und Geschäftsreisen ab einer Übernachtung. Das Institut wertete 41.000 repräsentative Interviews aus. Es fand heraus, daß Österreich nach wie vor das begehrteste Ziel der Deutschen im Ausland ist. Sieben von zehn Urlaubsreisen werden dieser Studie zufolge im deutschen Sprachraum verbracht; Fernreisen bringen es – gemessen am Reisevolumen – auf 3 Prozent, Tendenz steigend.

Das mit Abstand beliebteste deutsche Reiseziel ist Bayern. Für IPK-Geschäftsführer Rolf Freitag hält der Freistaat „stur und stabil“ an seinem Marktanteil von 11 Prozent fest. Über den Grund des Bayern-Booms kann man freilich nur spekulieren: Zieht man des Deutschen „liebste Urlaubsaktivität“ in Betracht (siehe oben), könnten Schweinshaxe und Weißbier dafür den Ausschlag geben. Jens Uwe Parkitny

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