„Nicht so berauschend“

Nach dem 5:0 in Stuttgart stapelt Borussia Dortmunds Trainer Ottmar Hitzfeld verzweifelt tief und VFB-Coach Fringer schämt sich  ■ Aus Stuttgart Michael Bolten

Die beiden Männer in den beigefarbenen Mänteln, die sich am Spielfeldrand neben vielen Männern in Trainingsanzügen aufhielten, haben eine Teil ihrer bisherigen Karriere gemeinsam hinter sich gebracht. Ottmar Hitzfeld, geboren 1949 im alemannischen Lörrach und seit 1991 Trainer bei Borussia Dortmund, und der 39jährige Schweizer Rolf Fringer, der den VfB Stuttgart in seiner ersten Saison trainiert, standen beim FC Luzern gemeinsam auf dem Spielfeld, Fringer als Libero, Hitzfeld als Mittelstürmer. Fringer gehörte Mitte der achtziger Jahre beim SC Zug auch zu den Spielern, die Hitzfeld bei seiner ersten Station als Coach betreute. Beide sind immer elegant gekleidet, verfügen über viele Augenfältchen und sind als Tüftler bekannt. Viele Gemeinsamkeiten, aber es gibt auch Unterschiede: Beide versuchen auf völlig unterschiedliche Art, das Spielgeschehen zu beeinflussen.

Im ersten Bundesligaspiel, das an einem Samstagabend ausgetragen wurde, trafen im gut besuchten, aber wider Erwarten nicht ausverkauften Stuttgarter Gottlieb- Daimler-Stadion der amtierende Meister aus Dortmund und der UEFA-Cup-Aspirant VfB Stuttgart aufeinander. Die Trainer nahmen zu Spielbeginn brav neben ihren Assistenten und Ersatzspielern Platz. Doch kaum war der Anpfiff ertönt, stand Ottmar Hitzfeld von seiner Bank auf und rief die ersten Anweisungen aufs Spielfeld. Rolf Fringer dagegen erlebte sitzend die erste große Chance des Spiels: Giovane Elber scheiterte freistehend am Dortmunder Torwart Stefan Klos. Das aufgeregte Gestikulieren des Dortmunder Coachs am Spielfeldrand lohnte sich in der 17. Minute, als Karlheinz Riedle nach einer weiten Flanke von Jörg Heinrich das erste Tor für die Westfalen erzielte.

Am Verhalten der beiden Trainer änderte sich allerdings nichts. Hitzfeld nach wie vor unruhig und immer wieder von seinem Platz aufstehend, Fringer meist kerzengerade auf seiner Bank verharrend. Selbst die von Krassimir Balakow vergebene Ausgleichsmöglichkeit provozierte bei dem Schweizer keine sichtbare Reaktion. Kurz vor der Halbzeit gelang Michael Zorc, der sein 400. Bundesligaspiel für die Borussia bestritt, dann die 2:0-Führung – „zum psychologisch wichtigen Zeitpunkt“, wie Hitzfeld bei der Pressekonferenz glasklar erkannte.

Fringer versuchte, dem „ängstlichen Spiel“ seiner Mannschaft nicht nur durch zwei Auswechslungen zur Pause mehr Aggressivität zu verleihen, sondern er selbst wurde an der Seitenlinie auch aktiver. Nur war sein Team an diesem Abend nicht in der Lage, seinen Anweisungen zu folgen, und es mußte bereits sechs Minuten nach dem Seitenwechsel den dritten Gegentreffer, diesmal durch Stéphane Chapuisat, hinnehmen. Der Rest des Spiels hatte nur noch statistischen Wert: zum Beispiel schoß noch nie zuvor eine Gastmannschaft an einem Samstagabend drei Tore in der 2. Halbzeit. Nach dem 3:0, dem „Genickschuß für den VFB“ (Hitzfeld), ließ Rolf Fringer auch die letzten beiden Tore von Chapuisat und Ricken regungslos sitzend, allerdings nach wie vor in gerader Haltung über sich ergehen.

Auf der Pressekonferenz sprach der Trainer des VfB von einer „desolaten Vorstellung“ seiner Elf, für die er sich schäme, und von vielen „hätte müssen“. Außerdem kündigte er personelle Konsequenzen an: „Weniger ist mehr. Ein Weniger an Namen, ein Mehr an Willen.“ Hitzfeld hingegen mochte die Leistung seines Teams nicht so hoch bewerten, wie es das Ergebnis nahelegte: „Wir dürfen uns keinen Sand in die Augen streuen. Wir haben nicht so berauschend gespielt.“ Mehrfach habe sein Team großes Glück gehabt. „Alle waren katastrophal“, urteilte VfB- Stürmer Axel Kruse bündig über sein Team, „erbärmlich“ pflichtete Präsident Mayer-Vorfelder bei.

Beide Mannschaften müssen bereits diese Woche wieder spielen: Stuttgart in Uerdingen und Dortmund in Amsterdam. Vielleicht wird Fringer dann sitzend gewinnen und Hitzfeld stehend verlieren. Aber vielleicht hat das auch gar nichts zu sagen, schließlich war die Borussia dem VfB am Samstag in allen Belangen überlegen. Und das konnte nicht allein am Trainer liegen.

Borussia Dortmund: Klos - Sammer - Kohler, Cesar (72. Kree) - Reuter, Ricken (85. Wolters), Freund, Zorc, Heinrich - Riedle (78. Herrlich), Chapuisat

Zuschauer: 51.000; Tore: 0:1 Riedle (17.), 0:2 Zorc (41.), 0:3 Chapuisat (50.), 0:4 Chapuisat (78.), 0:5 Ricken (80.)

VfB Stuttgart: Ziegler - Schneider - Berthold (46. Schäfer), Herzog - Haber, Schwarz (46. Buck), Balakow, Poschner, Legat (62. Gilewicz) - Kruse, Elber