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Volksausgaben etc.Test, Test, Test ...

■ Ab heute käuflich erwerbbar: Teil 2 des Beatles-„Anthology“-Projekts

Fünf Minuten am Anfang von „Anthology 2“ genügen, den ganzen Abgründen dieses Unterfangens noch einmal ins Schwarze zu sehen. Track 1, die zweite „neue“ Beatles-Single „Real Love“, ist die handelsübliche, nach dem Auferstanden- aus-Recordern-Prinzip bis zur Unkenntlichkeit auf Vordermann gebrachte Version eines Lennon-Liedchens von 1980; Track 2 kommt als abgespeckte Variante der frühen Schnulze „Yes it is“ daher. Im einen Fall soll der Mehrwert in der Ergänzung des Fragments zum „Original“-Beatles-Song liegen, im anderen wird gerade mit der Skizze als Urform gedealt. Beides zusammen ergibt eine funktionierende Verkaufsstrategie, aber niemals, was das „Anthology“-Projekt vorgibt zu sein: eine historisch-kritische Edition unveröffentlichten Beatles-Materials.

Aber hat jemals jemand ernsthaft mit sowas gerechnet? Daß kommerzielle Interessen „dahinter“ stehen, kann in unseren Zeiten keinen aufgeklärten Vierjährigen mehr enttäuschen. Interessanter schon ist „Anthology“ als Testfall auf die zukünftige Ausbeutbarkeit der Archive. Die Kassetten sind Volksausgaben eines Klassikers, die den Beatles-Mythos als integrierten Anti-Ramsch-Schutz zu Markte tragen.

Anders als im Fall der unzähligen Zusammenstellungen mit „Original Power Hits“ oder den „größten Hits der Sechziger“, die nie in die Sphäre der kulturellen Wahrnehmung hineingelangen, nie in Zeitschriften besprochen, sondern einfach nur gekauft werden, ist es hier gelungen, die Aura von Autorschaft und Unverwechselbarkeit an Individuen zu koppeln, deren Clan auch heute noch das Erbe verwaltet. (Womöglich schafft es die heutige Beatles- Seite genau deshalb als kleines Ankündigungsbildchen auf die Seite 1 der taz). So gesehen ist „Anthology“ natürlich auch der Sieg des Familienbetriebs über das anonyme Gesicht des Marktes. Oder sagen wir: die Fiktion davon.

„Besprechen“ läßt sich solch ein Produkt natürlich kaum noch, weil die Vorzeichen immer schon auf Beschwörung stehen. „These were the days of dash an daring“, erinnert sich Clanmitglied Derek Taylor schwelgerisch in den Liner Notes, die hier editorische Notiz, persönliche Erinnerung und historische Einführung zugleich abgeben. „Anthology 2“ umfaßt die Jahre 65, 66 und 67, Beginn und Höhepunkt der „Studiojahre“ der Beatles. Zu hören sind die letzten, schon etwas lustlosen Liveaufnahmen, eine unstringed Version von „Yesterday“, ein wenig aufschlußreiches „12-Bar-Original“, „Eleanor Rigby“ ohne Gesangsspur (gut für Karaoke), „Penny Lane“ ohne den entscheidenden Dreh mit dem Bachtrompetensolo.

Wer sich einen Rest primäres Hören bewahrt hat, wird feststellen, was für ein lausiger Gitarrist John Lennon war, aber auch, daß die Arrangements tatsächlich nicht bloß die Grenzen der Spieltechnik kaschieren. Die ansatzweise dokumentierte Entwicklung vom Demo zum veröffentlichten Track, die paar Fetzen „draufgekommener“ Studiogespräche geben eine Vorstellung von der prinzipiellen Unabschließbarkeit des Mischens, Bosselns und Umbeatlens. Immer, wenn der Song endlich fertig scheint, kräht Lennon etwas dazwischen oder hat noch eine Idee, die sofort angepackt wird, so daß das Stück sich von seinen Enden her umkehrt und neuschreibt. Die Frühfassung von „Got To Get You Into My Life“ wirkt mit den unausgefüllten, „leeren“ Passagen wie eine späte Remixversion: Beatles in Dub.

Zumindest nicht ganz gelogen ist es deshalb, wenn Derek Taylor schreibt, dies hier sei ein Album „full of genesis and revelations“. In Ewigkeit Amen. Thomas Groß

Beatles: „Anthology 2“ (EMI)

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