: Tunnelgangstern wird Prozeß gemacht
■ Prozeß gegen Beschuldigte des Zehlendorfer Tunnelcoups beginnt am 16. April. Tat wurde im Knast ausgeheckt. Staatsanwaltschaft rechnet mit Geständnissen. Großteil der Beute ist noch verschwunden
Die mutmaßlichen Tunnelgangster stehen ab dem 16. April vor Gericht, aber von elf Millionen Mark aus der Beute fehlt noch jede Spur. Gestern hat das Landgericht die Anklage gegen sechs der vermuteten Zehlendorfer Bankräuber, die im Juli letzten Jahres die Stadt und die Polizei in Atem hielten, zugelassen. 104 Seiten umfaßt die Anklage der Staatsanwaltschaft. Vorgeworfen werden den Beschuldigten „Geiselnahme, erpresserischer Menschenraub, schwere räuberische Erpressung und schwerer Raub“.
Von den sechs Angeklagten haben drei Aussagen gemacht. Die Staatsanwaltschaft rechnet mit Geständnissen im Prozeß. Zwei Beschuldigte haben bestritten, mit dem Überfall zu tun zu haben. Der sechste, den Justizsprecher Rüdiger Reiff gestern als „mutmaßlichen Drahtzieher“ bezeichnete, machte von seinem Recht zur Aussageverweigerung Gebrauch. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch gegen fünf weitere Tatverdächtige. Zwei von ihnen sind untergetaucht, zwei weitere befinden sich im Libanon und in Syrien in Haft. Das Verfahren gegen den fünften wurde abgetrennt.
Justizsprecher Reiff schilderte gestern den rekonstruierten Verlauf des Banküberfalls von seiner Planung bis zum Wegschaffen der Beute. Der sogenannte Drahtzieher habe den Coup in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee während einer Haftstrafe entwickelt. Mit einem geklauten Auto seien die Täter am 27. Juli zu der Commerzbank gefahren, unter der sie das Tunnelsystem zur Flucht gegraben hätten und seien dann maskiert in die Bank gestürmt. Dort hätten sie 16 Personen als Geiseln genommen, die Safes und privaten Schließfächer, deren genauer Inhalt immer noch unbekannt ist, geleert. Von der Polizei erpreßten sie ein Lösegeld in Höhe von 5,62 Millionen Mark. In den Safes befanden sich etwa 700.000 Mark, bei den Schließfächern geht die Polizei von einem Wert um die zehn Millionen Mark aus. Der Abtransport des Geldes gelang durch das Tunnelsystem, nachdem der Kellerboden der Bank gleichzeitig von oben und von unten bearbeitet worden war.
Von den insgesamt 16,3 Millionen Mark sind bisher nur 5,3 Millionen aufgetaucht. Über die fehlenden 11 Millionen tappt die Polizei noch im dunkeln. Doch darüber, wie die Tunneldiebe ihren Plan ausgeklügelt haben, konnte der Leiter der inzwischen aufgelösten Sonderkommission, Detlef Büttner, Auskunft geben: „In der ganzen Bundesrepublik beschäftigen sich Strafgefangene mit dem Gedanken, wie man eine Bank überfallen kann und Geiseln nehmen, ohne vorne wieder raus zu müssen.“ Barbara Junge
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