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Die Männer sind nicht allein am Computer, auch die Frauen haben Lust im Cyberspace

Staatsanwälte wittern in Deutschland auf allen Rechnern Pornographie. Aber sie irren sich. Das Internet ist nicht pornographisch, es ist erotisch und voller sexueller Reize. Menschen spielen im virtuellen Raum mit anderen Menschen: Ein Gespräch zwischen dem deutschen Philosophen Mike Sandbothe und der amerikanischen Psychologin Sherry Turkle

Mike Sandbothe: Am 1. Februar ist im amerikanischen Kongreß mit 414 Pro-Stimmen gegen 16 Contra-Stimmen der sogenannte Communication Decency Act verabschiedet worden. Am 8. Februar hat der amerikanische Präsident das Gesetz unterzeichnet. Es stellt die Verwendung von Worten wie „fuck“ oder „shit“ im Internet unter Strafe. Die Übermittlung, Distribution oder Publikation von „unanständigem“ Material im Internet kann mit Geldstrafen bis zu 250.000 Dollar und Haftstrafen bis zu zwei Jahren geahndet werden. Die Internet-Provider werden gezwungen, ihre Kunden rigoros zu zensieren, aber auch ihre Kunden selbst machen sich strafbar, wenn sie unanständiges Material Kindern zugänglich machen. Damit wird die gesamte Kommunikation am Ende auf das Verständnisniveau von Kindern herunterdefiniert.

Sherry Turkle: Das ist eine irregeleitete Anstrengung. Stellen Sie sich vor, daß die Regierung bei der Einführung des Telefons gesagt hätte: „Das ist eine Technologie, die es jedem Perversen ermöglicht, dich zu Hause anzurufen und deinen Kindern Subversives und Dreckiges in die Ohren zu flüstern. Telefongesellschaften müssen deshalb die Gespräche ihrer Kunden überprüfen und das, was sie sagen, zensieren.“ Was jetzt im amerikanischen Kongreß geschehen ist, hat mit einer Reihe von Verschiebungen im amerikanischen Leben zu tun. Zum Beispiel ist alles, was mit der Kindheit zu tun hat, derzeit in Amerika in einer tiefen Krise. Da gibt es das Drogenproblem, die Gewalt, die fehlende elterliche Fürsorge, Fragen der Ernährung und der Gesundheit. Diese Probleme sind schwer anzugehen. Und es kostet eine Menge Geld, sie anzugehen. Es ist nicht klar, daß wir in Amerika den politischen Willen haben, uns diesen Problemen zu stellen. Wenn man diese Themen durch moralische Schlagzeilen wie „Pornographie im Internet gefährdet die amerikanischen Kinder“ ersetzt, redet man über etwas, gegen das sich mit einfachen, unmittelbaren Aktionen vorgehen läßt. Das, glaube ich, beruhigt viele Menschen. Genauso wie viele Menschen die Vorstellung beruhigt, daß wir die Erziehungsprobleme dadurch lösen könnten, daß wir die amerikanischen Schulen „vernetzen“. Schulen im Internet sind eine gute Sache, aber sie lösen nicht unsere tiefer liegenden Probleme. Es gibt eine starke Tendenz zum technologischen Optimismus im amerikanischen Leben. Er tritt in unrealistischen Phantasien über das Internet zutage. Und zugleich gibt es eine starke Tendenz zum technologischen Pessimismus. Und, wie Sie sehen, wird auch diese Tendenz voll ausgespielt. Müssen wir deshalb mit einem starken medienpolitischen Roll Back rechnen? Zwar ist in den Vereinigten Staaten der Communication Decency Act zur Zeit von einem Bundesgericht auf Eis gelegt worden. Im Internet selbst findet die erste politische Großdemonstration statt, selbst Konzerne wie Microsoft rufen zum Free Speach auf. Doch in Deutschland durchsuchen Staatsanwälte Betreiber von Mailboxen und auch große Providerfirmen wie CompuServe. In einer Umfrage haben sich über 50 Prozent der Befragten für eine Kontrolle des Internet ausgesprochen. Dabei ist die Rechtslage sehr unklar. Die Politiker haben sich noch keine feste Meinung gebildet. Der Justizminister findet, eine Kontrolle des Internet sei nicht möglich, der Forschungsminister dagegen sagt, auch Provider müßten für strafbare Inhalte verantwortlich gemacht werden. Er fordert internationale Standards gegen „Schutzfinken“, wie er sagt. Die sollen ihm dann die fehlenden Rechtsmittel an die Hand geben.

Meine Hoffnung ist es, daß die Leute durch wachsende soziale Erfahrung in diesem Bereich einsehen werden, daß sich das Internet ohne Zensur weiterentwickeln muß.

Viele Menschen – sowohl Männer als auch Frauen – glauben aber, daß das Internet eine reine Männersache ist. Das liegt wahrscheinlich daran, daß wir uns daran gewöhnt haben, die Computertechnologie für eine „männliche“ Technologie zu halten.

Tatsächlich sind die Computer von Ingenieuren für Ingenieure gemacht worden. Die Computerkultur war lange Zeit eine Kultur von Männern. Doch das verändert sich sehr rasch. Speziell das Internet ist für Frauen sehr interessant, weil es ein durch und durch kommunikatives Medium ist. Die virtuellen Gemeinschaften, die im Internet entstehen, sind auf Fähigkeiten angewiesen, die vielen Frauen eigen sind. Das sind zum Beispiel die Fähigkeit zum Kompromiß, das Interesse an der Kooperation und die Lust, etwas mit anderen zu teilen. Man könnte sagen, daß die neue Computerkultur exakt diejenigen Fähigkeiten erfordert, die traditionell von Frauen entwickelt worden sind.

Sie sind Professorin für Soziologie am MIT in Boston und befassen sich seit vielen Jahren intensiv mit den soziologischen und psychologischen Aspekten des Computerumgangs. In ihrem neuen Buch „Life on the Screen“, das in den Staaten viel Aufsehen erregt hat, untersuchen Sie als eine der ersten detailliert die psychologischen Aspekte des Lebens im Internet. Vor Ihnen haben sich Psychologen oder Soziologen, gleichgültig ob Männer oder Frauen, nur selten derart intensiv mit Computern beschäftigt. Was reizt Sie denn daran so sehr?

Ich befasse mich bereits seit zwanzig Jahren aus psychologischer Sicht mit Computern. Ich habe damit begonnen, weil ich bemerkte, daß meine Studentinnen und Studenten Computermetaphern zur Beschreibung des menschlichen Selbst benutzten, während ich psychoanalytische Termini gebraucht hätte. Außerdem fiel mir die tiefe, intensive, projektive, ja sogar erotische Beziehung auf, die viele Menschen zu ihren Computern entwickeln. Das alles hat mich dazu gebracht, mich mit der subjektiven Seite der Computeranwendung auseinanderzusetzen. Mich interessierte von jeher weniger, was Computer für uns tun, sondern vielmehr, was sie mit uns tun, das heißt was sie an uns und unseren Beziehungen zu anderen Menschen verändern.

Bei meinem letzten Besuch in Boston habe ich den Eindruck gewonnen, daß es in den USA zunehmend selbstverständlich ist, daß nicht nur Männer, sondern auch oder sogar insbesondere Frauen mit dem Internet arbeiten.

Ja, das Interesse der Frauen am Internet ist groß in Amerika. Und in der scientific community sind es insbesondere die Frauen, die sich intensiv mit der wissenschaftlichen Erforschung des Netzes befassen. Sehr intensiv sogar!

Einige Leute hier in Deutschland meinen, daß das Internet vor allem eine Plattform für Pornographie ist. Ist das nur ein Vorurteil, das mit der Vorstellung zusammenhängt, daß das Internet männlich sei? Oder entspricht das nicht doch auch den Tatsachen?

Nein, das hat überhaupt nichts mit den Tatsachen zu tun. Und Pornographie wird auch in Zukunft keine zentrale Rolle im Internet spielen. Denken Sie an die Video-Technologie. Am Anfang war das Interesse daran in erster Linie durch Pornovideos motiviert. Aber aus dem Medium ist viel mehr und ganz anderes geworden. Das Internet ist meines Erachtens das Informations- und Kommunikationsmedium der Zukunft.

Im Zentrum Ihres Buches steht der Kommunikationsaspekt des Internet. Sie konzentrieren sich in Ihren Untersuchungen auf Internetbereiche wie MUDs und MOOs. Damit sind virtuelle Gemeinschaften gemeint, das heißt eine Anzahl von Leuten, die sich in bestimmte Bereiche des Internet gleichzeitig einloggen und miteinander mehr oder weniger regelmäßig kommunizieren.

MUDs und MOOs sind digitale Treffpunkte beziehungsweise Spiellandschaften. Die MUDs, mit denen ich mich befaßt habe, sind reine Textwelten, an denen die Teilnehmer permanent weiterschreiben. Es handelt sich also um eine Art kollektiv geschriebener Literatur. „MUD“ bedeutet „Multi User Dungeon“ (deutsch: Vielnutzerkerker). Darin kommt die historische Herkunft aus „Dungeons and Dragons“ – einem Phantasierollenspiel, das in den siebziger und achtziger Jahren weit verbreitet war – zum Ausdruck. Die MOOs sind eine bestimmte Sorte von MUDs. Die Besonderheit der MOOs besteht darin, daß die Teilnehmer nicht nur ihre Identität selbst neu erfinden, sondern auch den Raum erzeugen können, innerhalb dessen sie und die anderen Teilnehmer sich bewegen. MUDs und MOOs sind sehr phantasiereiche, imaginative Welten. Sie haben viele Ähnlichkeiten mit Performance-Kunst, Straßen- und Improvisationstheater, ja sogar mit der Commedia dell'arte. Die Teilnehmer sind nicht nur Autoren des Textes, sondern zugleich Erfinder ihrer eigenen Rollen. MUDs und MOOs sind Welten, in denen Menschen anonym miteinander interagieren können und in denen man Rollen spielen kann, die so weit erfernt oder so nahe am „wirklichen Selbst“ sind, wie man es möchte.

Wie kann man sich die fast schon obsessive Lust an der Kommunikation erklären, die in den virtuellen Gemeinschaften zutage tritt?

Die Menschen, die neue Identitäten in virtuellen Landschaften ausprobieren, wollen Aspekte ihrer selbst kennenlernen, die sie im sogenannten wirklichen Leben nicht artikulieren können.

Das bringt unsere traditionelle Vorstellung von der einheitlichen und über die Zeit konstanten personalen Identität ins Wanken.

Das ist richtig. Das Internet ermutigt uns dazu, unsere Identitäten als vielgestaltig und flexibel zu sehen. Ein MUD-Spieler sagte zu mir: „RL (Internetjargon für „Real Life“) ist nur ein Fenster mehr; und es ist normalerweise nicht mein bestes Fenster.“ Das Leben im Internet, die virtuelle Existenz auf dem Bildschirm kann uns dazu bringen, über die vielen unterschiedlichen Rollen nachzudenken, die wir im alltäglichen Leben (zum Beispiel im Laufe eines Tages) spielen. Viele von uns „wachen als Geliebte auf, frühstücken als Mutter und fahren als Anwältin zur Arbeit.“ Das Leben im Internet dramatisiert und konkretisiert diese Verhältnisse.

Während hier in Deutschland Sex im Internet in erster Linie mit übelster Pornographie assoziiert wir, zeichnen Sie in Ihrem Buch das Bild einer kommunikativen, experimentellen und kreativen Internet-Sexualität. Dabei geht es um das direkte, textbasierte Gespräch zwischen erwachsenen Menschen. Wie sieht die erotische Kommunikation aus, die im Internet stattfindet?

In bestimmten Bereichen des Internet treffen sich Menschen, um miteinander das zu haben, was sie „TinySex“ oder „TinyLovemaking“ nennen. Sie sind physisch voneinander getrennt, sitzen zu Hause vor ihren Bildschirmen und schicken einander „in real time“ erotische Nachrichten via Internet. Viele Leute, die daran teilnehmen und erotische Beziehungen im Internet entwickeln, finden das äußerst aufregend, und manche erfahren es sogar als Offenbarung.

Da man beim TinySex seine geschlechtliche Identität frei definieren und verändern kann, können reale Frauen im Netz als virtuelle Männer Sex haben und reale Männer als virtuelle Frauen. Ich vermute, daß sich solche Erfahrungen auch auf die sexuelle Identität im wirklichen Leben auswirken.

Für manche Männer und Frauen kann das „gender-swapping“, also der virtuelle Geschlechtertausch, ein Versuch sein, ihre sexuelle Orientierung besser zu verstehen oder sie ungefährdet zu erproben. Jeder, der es versucht, hat die Möglichkeit, konkret zu erfahren, daß für beide Geschlechter die jeweilige Geschlechterrolle eine soziale Konstruktion ist. Das kann dann auch außerhalb des Bereichs der sexuellen Erfahrung sehr lehrreich sein. Wenn reale Männer, die virtuelle Frauen spielen, in MUDs ohne Aufforderung mit Hilfsangeboten im Umgang mit der Online- Welt bestürmt werden, sagen sie häufig, daß in dieser Ritterlichkeit eine Vorstellung von weiblicher Inkompetenz zum Ausdruck kommt. Wenn reale Frauen in MUDs als virtuelle Männer auftreten und bemerken, daß ihnen keine Hilfe mehr offeriert wird, denken einige darüber nach, daß die ritterlichen Hilfsangebote dazu geführt haben könnten, daß sie selbst glaubten, Hilfe zu brauchen.

Erotische Erfahrung hängt eng mit der Erfahrung der Fremdheit des anderen zusammen. In der schriftlichen Kommunikation via Internet ist der andere absolut fremd und unsichtbar. Hat die besondere Attraktion, die vom TinySex ausgeht, damit etwas zu tun?

Ja. Und damit, daß Anonymität zu Übertragung und Projektion anregt.

Viele Leute meinen, daß NetSex ein Spiel ist, das in erster Linie Männer spielen. Damit hängt natürlich das Gerücht zusammen, daß hinter den meisten virtuellen Frauen, die man im Netz trifft, in Wirklichkeit Männer stecken.

Sowohl Männer als auch Frauen haben NetSex. Im Moment sind es tatsächlich mehr Männer als Frauen. Aber auch Frauen sind dabei.

Glauben Sie, daß der TinySex eine neue Zensurdebatte auslösen könnte?

Ich bin der Ansicht, daß TinySex zwischen zwei (oder sogar mehreren) volljährigen Erwachsenen einzig und allein deren Sache ist. Aber es ist wichtig, daß es Verfahren der Authentifizierung gibt, durch die sichergestellt wird, daß man es mit Erwachsenen zu tun hat. Das ist eine wichtige Aufgabe, die durch die virtuellen Gemeinschaften selbst zu lösen ist.

Ich fürchte, daß das den Zensurverfechtern nicht ausreichen wird. Um klarzumachen, daß Zensur nicht nur ineffektiv, sondern auch überflüssig ist, müssen wir wahrscheinlich in der ganzen Gesellschaft, aber auch in den Schulen einiges mehr in Bewegung setzen. Offenbar müssen die Menschen erst noch richtig auf das Netz vorbereitet werden.

Es ist mittlerweile so einfach, Zugang zum Internet zu bekommen. Und es ist kein Problem mehr für Eltern, zusammen mit ihren Kindern online zu gehen. Die Kinder sollten die Möglichkeit haben, zu ihren Eltern zu gehen und mit ihnen zu reden, wenn sie im Internet etwas gesehen oder erlebt haben, das sie irritiert oder bedrückt. Das ist das Wichtigste. Es sollte einen offenen Austausch zwischen Eltern und Kindern über diesen neuen Aspekt unseres Lebens geben. Die Eltern sollten ihren Kindern erklären, was da draußen vor sich geht. Und sie sollten ihren Kindern von Anfang an die grundlegende Verkehrsregel beibringen, die sie auf den Straßen des Information Superhighway beachten müssen: „Gib niemandem deinen wirklichen Namen!“ Wir schicken unsere Kinder ja auch nicht mit Schildern, auf denen ihre Namen und Adressen stehen, ins Einkaufszentrum. Vielmehr bringen wir ihnen bei, sich nicht von Fremden ansprechen zu lassen. Kein Kind sollte im Internet seinen „wirklichen“ Namen und seine „wirkliche“ Adresse herausgeben.

Wie können computerunerfahrene Eltern mehr über das Internet lernen? Könnten Internet-Cafés hier eine Vermittlerrolle übernehmen?

Ja. Das sind Orte, wo Eltern erste Erfahrungen sammeln. Es gibt bereits Cafés, in denen sie sogar zusammen mit ihren Kindern an Internet-Seminaren teilnehmen können.

Das Beispiel des TinySex und die Möglichkeit, neue Identitäten im Internet auszuprobieren, machen deutlich, daß durch das Internet scheinbar selbstverständliche Grundbegriffe unseres alltäglichen Lebens in Frage gestellt beziehungsweise neu definiert werden. Das ist natürlich für Philosophen eine spannende Geschichte. Ist das Internet ein philosophisches Medium?

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, daß das Internet die Philosophie und speziell die postmoderne Philosophie zurück auf den Boden bringt. In den späten sechziger und den frühen siebziger Jahren lebte ich in einer Kultur, die lehrte, daß das Selbst sich in der Sprache und durch die Sprache konstituiert, daß Geschlechtsverkehr ein Austausch von Signifikanten ist und daß jeder von uns aus einer Vielheit von Teilen, Fragmenten und Begierdeströmen besteht. Ich meine den Brennpunkt der Pariser intellektuellen Kultur, zu deren Gurus Jacques Lacan, Michel Foucault, Gilles Deleuze und Félix Guattari gehörten. Diese Theoretiker des Poststrukturalismus, der später als Postmodernismus bezeichnet wurde, verwendeten Worte, die sich auf das Verhältnis zwischen Geist und Körper bezogen, aber aus meiner Sicht wenig oder nichts mit mir zu tun hatten. Jetzt, mehr als zwanzig Jahre später, begegne ich den Ideen von Lacan, Foucault, Deleuze und Guattari im meinem virtuellen Bildschirmleben wieder. Aber nun sind diese französischen Abstraktionen konkreter geworden.

Ja, sie haben recht, so manche große philosophische Theorie wird gegenwärtig durch die Internetpraxis locker überholt. Die Kinder der Postmoderne setzen ihre Theorien nun in die Online-Wirklichkeit um. Aber noch einmal zurück zu den virtuellen Gemeinschaften. Lassen sich die virtuellen Gemeinschaften, von denen Sie berichtet haben, mit realen Gemeinschaften verbinden?

Ich bin mir sicher, daß sich in Zukunft das „Reale“ und das „Virtuelle“ ganz selbstverständlich durchdringen werden. Wir werden die virtuellen Gemeinschaften nutzen, um unser Leben in den wirklichen Gemeinschaften zu verbessern.

Im Internet selbst gibt es Diskussionen über den Drogencharakter des Netzes. Ich habe online schon Menschen kennengelernt, die sich selbst als „internetsüchtig“ beschrieben haben.

Das sind Ausnahmefälle. Normalerweise versuchen Menschen im Laufe der Zeit, ihr virtuelles und ihr reales Leben zusammenzuführen. Sie wollen die Leute, die sie online kennenlernen, dann auch im wirklichen Leben treffen. Sie wollen sie in ihr Leben hineinholen. Nur ein ganz geringer Prozentsatz der Internetnutzer wird sich im Netz verfangen und sich im Virtuellen „verlieren“. Dabei handelt es sich häufig um Leute, die sich vom realen Leben völlig überfordert fühlen. Vielleicht kann das Internet diesen Menschen jedoch sogar helfen, sich so weiterzuentwickeln, daß sie sich nicht mehr vom Leben bedroht fühlen.

Bestimmte Bereiche des kommunikativen Internet sind mir aber auch wie eine Art kollektiver Psychoanalyse erschienen.

Nein. Diese Beschreibung geht mir etwas zu weit. Aber ich habe festgestellt, daß die Menschen, die das Beste aus ihrem Online-Leben machen, diejenigen sind, die mit einer Einstellung der Selbstreflexion an das, was sie tun, herangehen.

Wird der kommunikative Aspekt des Internet auch innerhalb der neuen Welt des sich entwickelnden Information Superhighway eine Rolle spielen?

Ich glaube, daß die textbasierten und die kommunikativen Landschaften des Internet die Zukunft dieses Mediums ausmachen.

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