: Die Wahrnehmung geht auf Reisen
■ Atelier-Ausstellung in der alten Produktionshalle des Altonaer Theaters
Eine 200 Quadratmeter große und mehr als fünf Meter hohe Halle ist fast zu schade nur zum Malen. So arrangieren die Künstler, die die ehemalige Produktionshalle des Altonaer Theaters gemeinsam nutzen, dort auch großzügige Atelierausstellungen. Den institutionellen Rahmen dafür bietet der Verein „ahk“, die „Atelier und Ausstellungsgemeinschaft Hamburger Künstler“. Zur Zeit geben in der großen Halle die beiden Grün-dungsmitglieder JoDD und Manfred Roth Einblick in ihre Arbeitsweise. Dabei treffen sich düstere Tafelbilder mit rostigem Stahl.
“Transformelle Malerei“ nennt der Hamburger Künstler JoDD Jankowsky seine dem Informel verwandte Technik. Aus Asche, Bitumen, Graphit und wenig Farbpigmenten – Jodd nennt das „urstoffliche Materialien“ – baut er seine meist quadratischen Bilder auf. Dabei schichtet er in suchendem Gestalten die armen Materialien auf die großformatige Leinwand und setzt sie zwischendurch Wasser, Hitze und Wind aus. So entstehen jene Erinnerungspuren von Welt, mit denen die Wahrnehmung auf Reisen geschickt wird.
Stärker konzeptionell arbeitet Manfred Roth, und in Dimensionen, die sich nicht leicht aneignen lassen – schön, daß es einen Kran in der Werkhalle gibt. Die 75 Meter lange Stahlplastik am Dammtor, die zwischen 1989-1993 die Funktion eines Bauzaunes für einen Versicherungsneubau übernommen hat, war von Manfred Roth. Teile der durchbrochenen, mit aufgeschweißter Schrift versehenen und mit Klangstrukturen durchsetzten Form werden neu kombiniert beim Stadtteil-Kulturzentrum „Lola“ in Bergedorf einen Platz gestalten, die Einweihung wird noch dieses Frühjahr sein. Vor der Drostei in Pinneberg hat der Künstler dagegen große, teilweise geteerte Stahlkästen aufgestellt, die durch ein System von Luftkammern im Innern sich durch Sonneneinstrahlung unterschiedlich aufheizen und zweimal am Tag zu wetterbedingten Schallereignissen wurden: in Relation zu Sonnenaufgang und Sonnenuntergang entladen sich die Materialdehnungen in lautem Knallen.
Jetzt verwendet Manfred Roth zwei der rostigen Kuben als übergroße Druckstöcke, zwischen denen in etliche Lagen Makulaturpapier Spuren aus Wasser, Rost und alten Zeitungen eingepreßt werden. Doch unabhängig vom Ergebnis hat das Objekt in seinem Materialkontrast zwischen dünnem Papier und rostiger Stahlwand einen eigenen Reiz.
Eine fast wissenschaftliche Untersuchungsreihe stellen die Kästen dar, in denen Asche ausgesiebt wurde. Nach unterschiedlichen Rüttelgrößen sortiert, zeigen sich Materialqualitäten und Farbwerte, die für die meisten heutigen zentralwärmeversorgten Mieter nicht mehr zugänglich sind. Einen ökologischen Appell enthält die Arbeit auch: Es wird sichtbar, wie stark metallverunreinigt (und damit auch giftig) die in großem Maßstab oft in Landwirtschaft und Platzgestaltung verwendeten Brandreste sind.
Hajo Schiff
Warnholzstr. 4, Mo-Fr 15-19, Sa 12-16 Uhr, noch bis diesen Samstag
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