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„Die Kinder sind die Verlierer“

■ Kompromiß für UmlandschülerInnen beschlossen: „Landeskinder“ zuerst, Aufnahme von „Gastschülern“ jedes Jahr neu entscheiden Von Silke Mertins

„Es ist falsch, in Kategorien von Sieg und Niederlage zu denken“, gab sich Hamburgs Schulsenatorin Rosie Raab (SPD) gestern ungewohnt bescheiden, als sie auf der Landespressekonferenz das „Gastschülerabkommen“ vorstellte. Die Einigung mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen über die Aufnahme von SchülerInnen aus Hamburgs „Speckgürtel“ sei ein „fairer Ausgleich“. Denn endlich hätten die Nachbarländer „Verständnis“ dafür aufgebracht, daß die Nordmetropole nicht unbegrenzt Schulkinder von jenseits der Landesgrenze aufnehmen könne.

Zumindest nicht, ohne daß entsprechende Geldscheine den Besitzer wechseln. Die aber hatten Schleswig-Holstein und Niedersachsen verweigert und kurzerhand die Verträge gekündigt. Daraufhin weigerte sich Hamburg im vergangenen Jahr, alle jene SchülerInnen aufzunehmen, die Hamburger Schulen besuchen wollten.

Auch nach dem nun gefundenen Kompromiß wird das nicht möglich sein. Hamburg behält sich vor, jedes Jahr neu zu prüfen, wieviele UmlandschülerInnen aufgenommen werden. Dabei soll auch geplanter Wohnungsbau und die dadurch zu erwartenden höheren Schülerzahlen berücksichtigt werden. Wenn dann noch Platz ist, werden die Klassen mit „GastschülerInnen“ aufgefüllt. Neue Klassen aber, betonte Raab, werden deshalb nicht geschaffen. Bisher gingen etwa 6000 schleswig-holsteinische und 2400 niedersächsische Kinder in Hamburg zur Schule.

Für die Sonderschulen wurden zwischen den Ländern feste Aufnahmezahlen und ein Pauschalbetrag abgemacht. Hamburg verpflichtet sich, 150 schleswig-holsteinische und 138 niedersächsische SchülerInnen aufzunehmen. Schleswig-Holstein erklärte sich außerdem bereit, für den Ausbau der Schule für Körperbehinderte am Hirtenweg einen Investitionszuschuß zu zahlen. Damit nicht geschummelt wird und die Stadt womöglich Schein-Landeskindern die Ausbildung bezahlen muß, will Rosie Raab das Melden unter falscher Adresse „deutlich schwerer machen“. Mit Hilfe des neuen Meldegesetzes.

Trotz der „Unkenrufe“ und der „widrigen Umstände“ – die Medien hätten die Verhandlungen erschwert –, hätten die „Nordlichter“ es also geschafft, sich zu einigen, so Raab zufrieden.

Das sieht die Opposition deutlich anders. Zwar ist die schulpolitische Sprecherin der CDU, Ingeborg Knipper, froh, daß es überhaupt zu einem Ergebnis gekommen sei. Doch „die Kinder sind die Verlierer“. Auch sei nicht grundsätzlich auszuschließen, daß es in Einzelfällen wieder zu gerichtlichen Klagen kommt. Aber: „Daß Landeskinder Vorrang haben, will ich nicht kritisieren.“

Aus Haushaltssicht sei die Entscheidung gerechtfertigt, lobt auch der GALische Schulexperte Kurt Edler ein bischen. Allerdings ließe man im Zweifelsfall „lästige Nachbarskinder vor der Tür“, zwischen Ländern seien Verträge gebrochen „und auf Eltern und Kinder abgewälzt“ worden: „Mit Pädagogik hat das nichts zu tun.“

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