: Kurden vor Gericht
■ §129a-Prozeß beginnt heute in Hamburg
Von maskierten Polizisten auf der Autobahn gerammt, in einen bereitstehenden Hubschrauber geschleppt und umgehend nach Karlsruhe verfrachtet, wo ihnen der Haftbefehl der Bundesanwaltschaft eröffnet wurde: So lief nach Angaben des Bremer Anwaltes Albert Timmer im Dezember 1994 die Festnahme dreier KurdInnen in Bremen ab, gegen die ab heute vor dem Hamburger Oberlandesgericht unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen das Strafverfahren eröffnet wird. In Bremen gibt es keine Staatsschutzkammer.
Die 98seitige Anklageschrift der Generalbundesanwaltschaft weist den drei Angeschuldigten unterschiedliche Rollen „in einer terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK“ zu: Azime Y. wird der Rädelsführerschaft, Meryem Y. der Mitgliedschaft und Sait B. der Unterstützung der PKK-Organisation „Europäische Frontzentrale“ beschuldigt.
Diese PKK-Untergruppe wird für die Durchführung von militanten Aktionen – Autobahnblockaden und Brandanschläge – verantwortlich gemacht. Außerdem sollen die Angeklagten die als „Bestrafung von Parteiabweichlern“ gewerteten Überfälle auf Kurden in Bremen und Hamburg im Oktober 1994 als „Gebietsverantwortliche“ der PKK mitorganisiert haben.
Bei den „aktionistischen Aktivitäten“ in Bremen war in einem Lokal in der Rembertistraße eines der Opfer durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt worden. Die Bundesanwaltschaft legt den Angeklagten versuchten Mord und Bedrohung zur Last.
Dabei wird nicht behauptet, daß die Angeklagten bei den Überfällen selber dabei waren. Nach dem umstrittenen Paragraphen 129a werden sie einer „terroristischen Vereinigung“ zugeordnet , eine direkte Tatbeteiligung muß ihnen damit gar nicht nachgewiesen werden.
Marco Carini
Das auf 30 Verhandlungstage angesetzte Langzeit-Verfahren – in dem die Bundesanwälte 73 Zeugen, sechs Sachverständige und 196 Urkunden präsentieren wollen, reiht sich nach Ansicht Albert Timmers in „die vielfältigen Staatsschutzaktivitäten ein, die jede prokurdische Betätigung in der BRD verhindern“ sollen. Marco Carini
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