Mit der Privatisierung auf Du und Du: Gewoba an die Börse
■ Koalition wünscht Mieter als Aktionäre
Investoren dürfen aufmerken: Die Ausschreibungen für Teile dreier lange als bremisches Tafelsilber gehüteteten öffentlichen Unternehmen sind in Kürze zu erwarten. Koalitionsfraktionen und Senat haben sich auf die Teil-Privatisierung der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) und der Wohnungsgesellschaft Bremische verständigt. Die Gewoba soll in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Nach dem Konzept, das die beiden Fraktionschefs Ronald-Mike Neumeyer (CDU) und Christian Weber (SPD) gestern vorstellten, sollen jeweils mindestens 50,01 Prozent der Anteile an den drei Unternehmen im Bremer Besitz bleiben. Die Erlöse sollen in den bislang noch gähnend leeren Stadtreparaturfonds fließen. Wieviel durch den Verkauf einkommen soll und wer sich für Anteile interessiere, wollten Weber und Neumeyer nicht sagen. Da müsse man erst die Bewertungsgutachten abwarten. Ein Anhaltspunkt: Im Stadtreparaturfonds sind in vier Jahren 400 Millionen Mark für die Sanierung öffentlicher Gebäude eingeplant. Wie jüngst gemeldet, interessiert sich unter anderem die VEBA und auch die Brebau für die Bremische.
Die BEB wird nach bisherigen Plänen in wahrscheinlich sechs eigenständige Geschäftsbereiche zerlegt, die unter dem Dach einer Holding bleiben. Private sollen bei den einzelnen Betrieben die unternehmerische Verantwortung übernehmen. Weber und Neumeyer hoffen, so auch mittelständische Entsorgungsunternehmen aus der Region einbinden zu können. Für die Übernahme von 49,9 Prozent der gesamten BEB wäre dagegen nur ein Großunternehmen in Frage gekommen, so Weber. In der Holding können private Investoren ebenfalls Anteile erwerben. Hier bleibt die Kontrolle aber bei der Kommune, um weiterhin Einfluß auf Müll- und Abwassergebühren zu haben und die Versorgung der Mitarbeiter zu sichern.
Bei der Bremischen schwebt den Koalitionären dagegen ein einziger „starker und innovativer Partner“ vor, der nach Ansicht Webers gerne aus der Region kommen könne. Die Ausschreibung werde jedoch selbstverständlich für alle Interesssenten offenstehen. Allerdings werde die Stadt ihre „Verantwortung für die Mieter wahrnehmen“, hieß es. Die Aufgabenstellung der Bremischen werde vertraglich festgelegt. So werde die Bremische auch weiterhin „Wohnungsnotstandsfälle“ aufnehmen und etwa Asylbewerber unterbringen. Mit Hilfe des Partners solle die Bremische aber neue Geschäftsfelder erschließen und etwa ins Management von öffentlich genutzten Gebäuden einsteigen.
Die Gewoba, an der die Stadt bisher 74,9 Prozent und drei Banken den Rest halten, soll in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Laut Weber und Neumeyer soll in zwei Jahren der Gang an die Börse folgen, wenn die „politischen Spekulationen um die Gesellschaft beendet“ seien. Zunächst sollten 24,8 Prozent als Pensionsgeschäft bei den Banken geparkt werden und möglicherweise in zwei Jahren wieder ausgelöst werden. Auf diese Weise käme Geld in den Stadtreparaturfonds, ohne die Anteile schon jetzt zu verkaufen. Mittelfristig sollten die Aktien zuerst den Gewoba-Mietern zum Kauf angeboten werden. Ob langfristig die Gesellschaft in der Hand Bremens bleibe, wollte Neumeyer aber nicht garantieren. jof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen