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■ Mit armen Puten auf du und duBrust als Hindernis

Hannover (taz) – Sie essen gern Geflügel? Haben aber dank Anton Pohlmann von Eiern und Hühnern die Nase voll und ziehen deshalb eine leckere Putenbrust vor? Pech gehabt – die Agrarindustrie war wieder einmal schneller als Sie. Zwar verzehrt der Bundesbürger im Schnitt jährlich nur vier Kilo Putenfleisch, und ein ordentlich gemästeter Puter bringt immerhin 20 Kilo auf die Waage. Das hindert die großen Putenmäster, die bis zu 24.000 Tiere in einer Anlage halten, jedoch nicht daran, dieses Federvieh während der Mast ähnlich zusammenzupferchen wie die geknechteten Hühner. Auch Putenfleisch stammt vorwiegend aus Massentierhaltung und hat zu Unrecht noch ein gutes, gesundes Image, konstatierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gestern in Bonn.

Pro Quadratmeter dürfen hierzulande exakt 2,8 der schwergewichtigen Vögel gehalten werden. Um Kannibalismus unter den Tieren vorzubeugen, muß man ihnen Zehen und Schnäbel abschneiden. Weil bis zu einem Viertel des Gewichts der Puter auf die überzüchteten Brustmuskeln entfallen, können sich die Tiere am Ende der Mast nicht mehr fortbewegen. Sie leiden an verkrümmten Füßen, an Blasen auf der Brust und Gleichgewichtsstörungen. Dabei stehen sie im eigenen Kot: Im Schnitt werden die Ställe nur einmal pro Halbjahr und damit einmal pro Mastdurchgang ausgemistet. Somit sind sie eine Brutstätte für Krankheitserreger aller Art.

Wie der agrarpolitische Sprecher des BUND, Hubert Wiegert, gestern sagte, ist auch bei der Massenputenmast „die vorbeugende Gabe von Antibiotika an der Tagesordnung“. Auf dem Teller drohen anschließend auch jene Keime zu landen, die durch die Dauermedikation im Darm der Tiere gegen die Medikamente resistent geworden sind. Die Abluft der verkoteten Ställe verpestet nicht nur die Umgebung, sondern verbreitet auch die Keime. Im niedersächsischen Lankreis Vechta, wo nicht nur die großen Hühner- und Schweineindustriellen zu Hause sind, hat dies bei den Nachbarn der Betriebe zu einer erhöhten Zahl von Atemwegserkrankungen geführt.

Weil sich dort inzwischen Widerstand gegen weitere Putenmastbetriebe regt, will der zweitgrößte bundesdeutsche Putenmäster nun in Sachsen- Anhalt rund 50 neue Mastanlagen mit einer Jahreskapazität von 2,5 Millionen Puter hochziehen. Die EU will diese Ausweitung der profitablen Putenquälerei mit einem Drittel der Investitionssumme fördern.

Umweltschonend und artgerecht erzeugtes Putenfleisch gibt es hierzulande bisher kaum zu kaufen. Jürgen Voges

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