■ Die Arbeiterpartei Kurdistans ist konspirative Kaderpartei und breite Volksbewegung zugleich. Mit einem Verbot in der BRD ist ihr nicht beizukommen. Das eigentliche Problem liegt in der Türkei: Die zwei Gesichter der PKK
Die Arbeiterpartei Kurdistans ist konspirative Kaderpartei und breite Volksbewegung zugleich. Mit einem Verbot in der BRD ist ihr nicht beizukommen. Das eigentliche Problem liegt in der Türkei
Die zwei Gesichter der PKK
Der „Sumpf von Vietnam“ werde die türkischen Truppen erwarten, falls sie Militäroperationen gegen PKK-Lager im kurdischen Nordirak starten sollten. Das erklärte vorgestern der Chef der türkisch-kurdischen Guerillaorganisation der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, in einem Telefoninterview mit dem kurdischen Sender Med-TV. Er bezog sich auf einen Brief, den er an den neuen türkischen Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz gerichtet habe, und in dem er die Fortsetzung des von der PKK einseitig ausgerufenen Waffenstillstandes angekündigt habe. Er erwarte, so Öcalan weiter, daß nun das das „Tor des Dialoges“ geöffnet werde. Andernfalls drohten „schmerzhafte Ergebnisse“.
Die Appelle des PKK-Chefs an die türkischen PolitikerInnen, das Gespräch mit seiner Partei zu suchen, sind nicht neu. Öcalan schlägt stets moderate Töne an, wenn es darum geht, zumindest einen Dialog mit kurdischen Politikern, die der PKK nahestehen, zu erreichen.
Bislang wurden solche Angebote von der türkischen Regierung stets scharf zurückgewiesen. „Keine Verhandlungen mit Terroristen“, hieß es knapp. Ankara will vielmehr der PKK mit militärischer Gewalt ein Ende bereiten. Das beinhaltete auch den Ausbau des umfangreichen Repressionsapparates gegen die kurdische Zivilbevölkerung.
Tausende von Dörfern wurden vom türkischen Militär zwangsgeräumt, rund zwei Millionen KurdInnen aus ländlichen Regionen vertrieben. Todesschwadronen ermordeten kurdische Persönlichkeiten, die der Sympathie für die PKK bezichtigt wurden. Seit 1984, dem Beginn der bewaffneten Kämpfe in Kurdistan, starben dort über 20.000 Menschen. Die staatliche Politik der verbrannten Erde, die der kurdischen Guerilla die logistische Unterstützung entziehen soll, war in militärstrategischer Hinsicht teilweise erfolgreich. Doch politisch führte sie nur dazu, der PKK viele Kurden in die Arme zu treiben. Ihr politisches Erstarken wie die militärischen Rückschläge sind Gründe dafür, daß Öcalan auf die im Ausland lebenden Kurden – die Mehrheit von ihnen sind Arbeitsmigranten aus der Türkei – in Deutschland setzt. Die europäischen Staaten sollen merken, daß die ungelöste kurdische Frage auch zur politischen Instabilität ihres eigenen Landes beiträgt. Sie sollen gezwungen werden, Druck auf die Türkei auszuüben.
Das gilt insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland. Bonn soll seinen Einfluß auf die Türkei hinsichtlich einer politischen Lösung des Kurden-Problems geltend machen, wenn sie Aktionen der PKK hierzulande verhindern will. Solange dies nicht geschehe, ist Deutschland Feind Nummer zwei – als Freund und Waffenlieferant der Türkei sowie als jener Staat, der auf Wunsch Ankaras am 26. November 1993 demonstrativ die PKK und rund dreißig ihr zugerechnete Organisationen verbot.
Die Verbotsverfügungen des Bonner Innenministers Manfred Kanther (CDU) erwiesen sich unterdessen als ziemlicher Flop. Zwar gelang es den Ermittlern in den vergangenen Jahren, die PKK- Strukturen in der Bundesrepublik halbwegs zu durchleuchten. Doch wie zuletzt das vergangene Wochenende zeigte, läßt sich mit diesem Wissen der massive Kurdenprotest kaum erklären.
Die anhaltende Verfolgung der Kurden in der Türkei hat zusammen mit den Verboten in der Bundesrepublik im Gegenteil eher zu einer Sympathiewelle für die PKK geführt. 30.000 bis 40.000 Menschen, etwas weniger als ein Zehntel der kurdischen Bevölkerung in der Bundesrepublik, kann die PKK heute für Proteste mobilisieren.
Diese Schätzungen stammen aus den Verfassungsschutzbehörden. Von dort kommt allerdings auch die vorsichtige Kritik am Bonner PKK-Verbot: Das habe „nicht dazu geführt, daß die Anhängerschaft geringer wurde“. „Die PKK hat zwei Gesichter“, bei diesem Urteil treffen sich Kriminalbeamte, Verfassungsschützer und auch linke PKK-Kritiker. Zum einen ist sie eine straff und konspirativ geführte, hierarchisch gegliederte Kaderpartei, zum anderen eine breit angelegte Volksbewegung. Dies geht nicht zuletzt auch aus den Aussagen eines PKK- Dissidenten hervor, der im bislang größten Prozeß gegen PKK- Mitglieder als Kronzeuge auftrat.
Der Führungszirkel der PKK soll die Bundesrepublik in fünf Regionen und siebzehn Gebiete aufgeteilt haben. Deren jeweilige Leiter agierten unter Decknamen. Sie wechselten, schrieb die Zeit im vergangenen August, im halbjährlichen Turnus, um sich so einer möglichen Strafverfolgung entziehen zu können.
Aus dieser Führungsebene, das glauben die Ermittlungsbehörden, stammen auch die Befehle für die wiederholten Anschlagsserien auf türkische Einrichtungen in den vergangenen Jahren. Zuletzt hat der Bundesgerichtshof vor zwei Wochen ein Urteil bestätigt, in dem die sogenannte „Repräsentanz für Aufsicht und Nachrichtenwesen“ als Teilorganisation der PKK zu einer terroristischen Vereinigung erklärt wurde.
Weil das Verbot der PKK und der ihr nahestehenden Vereine wenig gebracht hat, fordern nun die Regierungsparteien Gesetzesänderungen, um eine forcierte Abschiebungen von „Rädelsführern“ vornehmen zu können. Wer das Gastrecht verletzt, sagt nicht zuletzt Bundespräsident Roman Herzog, der muß das Land verlassen. Doch wie soll dies gehen, wenn, wie die Fahnder glauben, die Anstifter für Straftaten gar keine „Gäste“ sind, sondern hier geboren wurden?
Die Vertreter gemäßigter kurdischer Vereine kritisieren seit langem das ungewöhnlich harte Vorgehen der deutschen Behörden gegen PKK-Anhänger, die beispielsweise bei kurdischen Demonstrationen Fahnen ihrer Partei schwenken. Mit solchen Einsätzen steige die Sympathie für die PKK auch unter denen, die bisher Gewalt abgelehnt hätten. Ömer Erzeren, Istanbul/
Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen