Nur die Polizei feiert Newroz

■ Viel Polizei gegen Kurden-Demo in Ottensen und ein Kessel an der Schanze nach Prozeßauftakt gegen mutmaßliche PKK-Funktionäre Von Marco Carini

Die drei Angeklagten werden von den rund 100 – meist kurdischen ZuhörerInnen – mit frenetischem Beifall und Parolen wie „1-2-3 – laßt die Kurden frei“ begrüßt. Albert Mentz, Vorsitzender Richter des sogenannten Staatsschutzsenates des Hamburger Oberlandesgerichts ist hingegen erst einmal gar nicht zu hören – die Lautsprecheranlage streikt.

Auftakt im Hamburger KurdInnen-Prozeß, indem die Bundesanwaltschaft den Angeschuldigten nachweisen will, daß sie als Funktionäre der „Europäischen Frontzentrale“, einer mutmaßlichen Untereinheit der verbotenen KurdInnen-Partei „PKK“, Überfälle auf Abtrünnige angeordnet bzw. mit ausgeführt haben. Die Anklage lautet auf Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ und Mordversuch (taz berichtete).

Während technische Defekte und ein überforderter Dolmetscher die Verlesung der Anklageschrift auf den zweiten Verhandlungstag verschieben, gelingt es zumindest der als „Rädelsführerin“ eingestuften Hauptbeschuldigten Azime Y., eine 20minütige Erklärung in türkischer Sprache abzugeben. Sie kritisiert die pauschale Gleichsetzung der KurdInnen als TerroristInnen, mit der die Bundesrepublik nur von ihrer militärischen Unterstützung des türkischen Vernichtungskrieges gegen die KurdInnen abzulenken versuche.

Der Verteidiger des Angeklagten Sait B. kritisiert indes am Rande des Verfahrens die „Konturenlosigkeit der Anklage“. Die „terroristische Vereinigung“, der die drei Angeklagten angehören sollen, werde von der Bundesanwaltschaft immer wieder unterschiedlich definiert. Der Anwalt kündigt an, daß es während des Verfahrens zunächst „keine Einlassung der MandantInnen zu den Vorwürfen geben“ werde.

Zudem protestieren die VerteidigerInnen gegen die Terminierung des Prozeß-Auftakts. Es sei „instinktlos“, das Verfahren just am Vortag des kurdischen Neujahrsfestes Newroz zu beginnen – dem Tag, an dem das türkische Militär in der Vergangenheit immer wieder brutal gegen KurdInnen vorging.

Während im Gerichtssaal das Leben tobt – Richter Mentz droht gleich mehrfach mit der Räumung des Saals – herrscht vor dem Strafjustizgebäude Totenstille. Mehrere Polizei-Hundertschaften, die das Gericht hermetisch abriegeln, sorgen dafür, daß eine angekündigte und von der Polizei am Vorabend verbotene Demonstration zum Prozeßbeginn im Keim erstickt wird.

Nicht anders ergeht es einer ebenfalls kurzfristig verbotenen Newroz-Demonstration am Spritzenplatz. Einem massiven Polizeiaufgebot gelingt es, die gegen 17 Uhr erschienenen rund 250 DemonstrantInnen innerhalb kurzer Zeit zu zerstreuen. Eine Stunde später versammeln sich rund 500 KurdInnen im Schanzenviertel zu einem „Newroz-Fackelzug“. Kurz vor Redaktionsschluß rückt ein Polizei-Großaufgebot an und versucht, die Ersatz-Demo aufzulösen. Auf dem Schulterblatt werden mehrere hundert KurdInnen eingekesselt.

Die Hamburger Organisation „Freunde des kurdischen Volkes“ verurteilte die Polizeimaßnahmen: Mit dem willkürlichen Verbot des „in den vergangenen Jahren stets friedlich durchgeführten Umzuges“ würde einmal mehr „jegliche identische Lebensäußerung des kurdischen Volkes unterbunden“.

(Siehe auch Bericht S. 4).