: Fusion à la Charles und Diana
Das Potsdamer Verfassungsgericht wird heute möglicherweise die PDS-Klage gegen den Fusionsstaatvertrag ablehnen. Die PDS freut sich dennoch, weil die Zahl der Fusionsgegner kräftig wächst ■ Von Christoph Seils
Wochenlang war der Info-Bus mit Berliner Kennzeichen durch Brandenburg getourt und hatte dabei den Spott der Fusionsgegner auf sich gezogen. Spät, aber doch noch rechtzeitig vor dem Ende der Fusionskampagne handelte die Potsdamer Staatskanzlei: Inzwischen ziert den Bus ein Brandenburger Nummernschild. Trotz aller hektischen Bemühungen aber reißt die Kette der Peinlichkeiten nicht ab.
Neueste Nachricht von der Pannenfront: Zur Volksabstimmung über die Länderehe zwischen Berlin und Brandenburg am 5. Mai wird es zwei getrennte Feiern geben. Im Jagdschloß Glienicke des Berliner Senats ist seit langem eine zentrale Veranstaltung geplant. Doch der Brandenburger Landtagspräsident Herbert Knoblich (SPD) sah sich verpflichtet, das Ergebnis im Potsdamer Landtag zu verkünden. Dort wollen nun die Parteispitzen von PDS, Bündnis 90/Die Grünen und CDU ihr Glas auf den Ausgang der Abstimmung heben.
Angesichts der drohenden Niederlage könnte der Ort mit Bedacht gewählt sein. Begeisterung für die Länderfusion will in Brandenburg nicht aufkommen. Im Gegenteil signalisieren Meinungsumfragen einen dramatischen Schwund der Befürworter. Innerhalb eines Monats sank die Zahl der Brandenburger, die mit „Ja“ votieren wollen, von 42 auf 36 Prozent, während die Zahl der Fusionsgegner von 32 auf 36 Prozent stieg.
In den Brandenburger Ministerien stellen sich, so ist zu hören, die Mitarbeiter bereits darauf ein, daß ein gemeinsames Bundesland nicht kommen wird. Selbst unter den Fusionsanhängern wächst die Sorge, die Volksabstimmung könnte scheitern. Denn nicht nur die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen in jedem Bundesland muß auf „Ja“ lauten, darüber hinaus müssen sich in jedem der beiden Bundesländer auch 25 Prozent aller Wahlberechtigten für den Zusammenschluß von Berlin und Brandenburg aussprechen.
Bei den Brandenburgern ist die geplante Länderehe kaum ein Thema. Man müsse für die Aktivitäten der PDS gegen die Fusion fast dankbar sein, hatte der Chef der Potsdamer Staatskanzlei, Jürgen Linde (SPD), kürzlich geklagt, sonst würde in Brandenburg überhaupt nicht mehr darüber diskutiert. SPD und CDU hätten nach Ansicht von Linde versagt. Vor allem mit seiner eigenen Partei ging Linde hart ins Gericht: Sie habe Manfred Stolpe bei der Werbung für die Fusion nicht genügend unterstützt. „Einige Abgeordnete haben offenbar vergessen“, schimpfte der Stolpe-Adlatus, „wer ihnen den Wahlsieg 1994 beschert hat.“
Solche voreiligen Schuldzuweisungen mochte die SPD nicht auf sich sitzen lassen. Prompt gab die SPD-Fraktion die Kritik zurück und verwies auf die zahlreichen Pleiten und Pannen bei der Brandenburger Fusionskampagne. Die SPD ist nervös. In den letzen Tagen bemühte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Birthler, der sich selbst zu den „Fusions- Skeptikern“ in der SPD zählt, die Wogen wieder zu glätten. Nach Ostern will die SPD die heiße Phase ihrer Kampagne einläuten. Aber jeder fünfte SPD-Abgeordnete steht der Fusion kritisch bis ablehnend gegenüber. Der SPD-Landtagsabgeordnete Karsten Wiebke will sich weiter für den Zusammenschluß mit Berlin ins Zeug legen, aber auch er räumt ein, daß sich bis zum 5. Mai noch viel tun muß. Die Menschen seien offen, so schildert er seine Erfahrungen aus der Uckermark, aber „sie wissen zuwenig“. Mühsam sei es, in dem dünnbesiedelten Land die Menschen zu erreichen. Viele Vorurteile aus DDR-Zeiten gelte es auszuräumen. So die Angst, Berlin werde wieder einmal bevorzugt wie damals, als der Osten der Stadt sich „Hauptstadt der DDR“ nannte und Gelder absorbierte. Auch die Haushaltspleite Berlins läßt die Befürchtungen der Brandenburger wachsen, sie müßten mit einer neuen „Berlin-Initiative“ wie zu Honeckers Zeiten für die Hauptstadt bluten. Die Bürgerinitiative „Bündnis für Brandenburg“, ein illustres Bündnis von Organisationen und Einzelpersonen, bedient sich vor allem dieses Arguments, um gegen die Fusion Stimmung zu machen. Brandenburgs Jusos sind mit dabei, der LandesschülerInnenrat und das Bündnis freier Wähler, eine Rechtsabspaltung der Bündnisgrünen.
Aber auch die Brandenburger CDU macht wenig Werbung für die Fusion, und der Berliner CDU- Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky tut alles, um die Bevölkerung Brandenburgs gegen sie aufzubringen. „Mit eisernem Besen“ werde man nach der Fusion in Brandenburg „so manche sozialistische Wärmestube ausfegen müssen“, tönte er und zog über die „neopreußische Großmannssucht“ im Potsdamer Landtag her. Eine Steilvorlage für die PDS. Sie hat aus dem Wortlaut der Rede ein Flugblatt gemacht und lediglich „drum prüfe, wer sich ewig bindet“ darunter geschrieben. „Wir sollten uns“, so der stellvertretende Vorsitzende der PDS-Fraktion im Brandenburger Landtag, Heinz Vietze, „bei Herrn Landowsky für die deutlichen Worte bedanken.“
Ob es am 5. Mai überhaupt zu einer Volksabstimmung kommt, darüber entscheidet heute das Brandenburger Verfassungsgericht in Potsdam. Über 50 Verstöße gegen die Landesverfassung hat die PDS-Fraktion in ihrer Klage gegen den Neugliederungsstaatsvertrag aufgelistet. Mit einem Erfolg der Klage rechnet allerdings Heinz Vietze kaum noch.
Auch die Brandenburger Bündnisgrünen haben noch eine Verfassungsklage auf den Weg gebracht. Allerdings wollen sie nicht die Voksabstimmung am 5. Mai verhindern, sondern lediglich die Fusionskampagne der Staatskanzlei stoppen. Das Landesverfassungsgericht müsse, so Landessprecher Roland Resch, eine Grenze ziehen zwischen sachlicher Information über Für und Wider der Fusion und einseitiger Werbung. Voller Häme hoffen viele Fusionsgegner darauf, die Staatskanzlei in Potsdam möge ihre Pleitenkampagne fortsetzen. „Szenen einer Ehe“ nennt sich zum Beispiel eine Broschüre, die derzeit in ganz Brandenburg verteilt wird. „Vieles gehört einfach zusammen ...“, so ist darin zu lesen, Berlin und Brandenburg genauso wie etwa „Pech und Schwefel“ oder wie „Charles und Diana“.
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