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Alarmglocke gegen Steueregoismus

■ EU-Kommission macht die Steuerpolitik der Mitgliedsstaaten für hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich

Brüssel (taz) – Die Kommission will die Steuerpolitik der Mitgliedsstaaten grundlegend ändern, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dies kündigte gestern in Brüssel Steuerkommissar Mario Monti an. Er sprach von einer „Alarmglocke“. Für die Kommission kritisierte er die mangelnde Harmonisierung der Steuerpolitik. Sie vernichte Arbeitsplätze, behindere den Binnenmarkt und gefährde die Währungsunion.

Die Analyse der Kommission klingt so, als wäre sie direkt bei linken WirtschaftspolitikerInnen abgeschrieben: Die Liberalisierung der Kapitalmärkte habe dazu geführt, daß sich das Kapital jeweils das günstigste Steuersystem aussuchen oder zumindest damit drohen könne. Folglich senkten die Staaten zur Standortsicherung die Unternehmenssteuern. Da die Gesamtsteuereinnahmen aber nicht sinken dürften und weitere Verschuldung vor der Währungsunion nur noch begrenzt möglich sei, werde im Gegenzug die Besteuerung der Arbeit erhöht.

Europaweit sei, so Monti, zwischen 1980 und 1993 der Anteil der ArbeitnehmerInnen am gesamten Steueraufkommen um mehr als ein Fünftel gestiegen. Gleichzeitig sei der Anteil des Steuerbeitrags von Kapital und Selbständigen gefallen. Dies dränge die ArbeitnehmerInnen in die Schwarzarbeit und vernichte damit reguläre Arbeitsplätze. Außerdem seien auch die Lohnnebenkosten angestiegen, was ebenfalls zu Arbeitsplatzverlusten führe.

„Wenn die Mitgliedsstaaten etwas von ihrer steuerpolitischen Souveränität abgäben, hätten sie unter dem Strich mehr Gestaltungsspielraum“, versucht Monti den Ländern künftige Steuerharmonisierungen, gerade auch bei den Unternehmenssteuern, schmackhaft zu machen. Derzeit sind Im Ministerrat 18 Steuervorschläge der Kommission blockiert, weil keine Einstimmigkeit erreicht werden kann. Weitere 30 Vorschläge hat die Kommission bereits von sich aus zurückgezogen. An konkreten Vorschlägen bietet das Monti-Papier nicht viel. „Noch vor dem Sommer“ soll der langerwartete Vorschlag zur Harmonisierung der Mehrwertsteuer kommen, der die Reibungsverluste auf dem Binnenmarkt reduzieren soll. Als bloßes „Gedankenspiel“ bezeichnete Monti seine Idee, die Mehrwertsteuer im Schnitt um ein bis drei Prozent anzuheben. Damit sollen niedrigere Lohnnebenkosten finanziert werden. Mit demselben Ziel könnten auch Ökosteuern eingeführt werden, sagte Monti, wollte angesichts des britischen Widerstands jedoch keine konkreten Vorschläge hierzu machen. Christian Rath

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