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„Lächle! Befeuchte die Lippen!“

■ Tyra Banks, 22, ist Topmodel. Die schwarze Amerikanerin erzählt vom Problem der Schönen, immer perfekt sein zu müssen

„Sie wollen dich, wenn du jung bist, formbar, wenn deine Haut noch frisch ist und du nicht weißt, was du vom Leben willst.

Ich bin durch Zufall Model geworden. Während meiner High- School-Zeit habe ich mit Modeauftritten ein paar Dollar verdient. Als ich mich fürs College eingeschrieben hatte, meldete sich ein Talentsucher: Ich solle doch nach Paris kommen. Nein, habe ich gesagt. Models waren für mich Mädchen, die völlig überdreht sind. Die heulen, wenn sie keinen Job kriegen. Soviel hatte ich schon mitgekriegt: Schönheit schafft Unsicherheit. Ist irgendwo ein Fältchen? Ist irgendeine schöner als du?

Ich bin dann doch nach Paris. Ich war 17, habe mich lächelnd von meinen Eltern verabschiedet, bin ins Flugzeug gestiegen und habe geflennt. Ich hatte Schiß. In Paris war ich in einem Rattenloch untergebracht. Ich bin mit der U-Bahn von einem Termin zum nächsten gejagt. Um mich die Supermodels: Cindy Crawford, Naomi Campbell und Christie Turlington, und da war so eine herablassende Stimmung mir gegenüber. Was will denn die Kleine? Ich hab' die Zähne zusammengebissen, ich hab' die Sache knallhart durchgezogen. In meiner ersten Woche in Paris war ich auf 25 Shows und auf zwei Zeitungstiteln – das ist sagenhaft.

Ich mache mir nichts vor: Das Schönheitsbusiness ist der einzige Industriezweig in den USA, der es sich noch erlauben kann, offen rassistisch zu sein. Sie sagen mir am Telefon: Deine Lippen sind zu dick, deine Nase ist zu breit, deine Haut zu dunkel.

In diesem Gewerbe muß dir klar sein, daß du ein Stück Fleisch bist, sonst zerbrichst du. Dir muß egal sein, was andere von dir denken. Und das ist das Dilemma für viele Models: Sie sind schön, sie wollen geliebt werden. Aber da gibt es tausend Gründe, kritisiert zu werden: Du mußt immer perfekt sein, falten-, speckfrei, immer lächeln. Das ist anstrengend. Du wirst für einen Job abgelehnt. Warum? Weil du zu unfreundlich warst? Warst du unausgeschlafen? Niemand sagt es dir.

Du wirst einfach aussortiert. Heute bist du heiß, morgen bist du kalt. Dieses Auf und Ab macht dich fertig. Das schafft Minderwertigkeitskomplexe. Bei den Fotosessions schubsen sie dich herum und vergessen, daß du ein Mensch bist. Lächle! Öffne deinen Mund! Nein, nicht so! Befeuchte deine Lippen! Ich sag dann manchmal einfach: Stop, ich muß mal aufs Klo. Ich sage das nur, um zu zeigen, daß ich ein Mensch bin.

Ich sehe meine Rolle durchaus zwiespältig – wir setzen viele Frauen mit unserer gestylten Schönheit unter Druck. Ich staune immer wieder über dieses ganze Spiel: Wie irgendwelche Herren das Schönheitsideal vorgeben können, und wie viele Frauen sich diesem Diktat unterwerfen.

Ich mag Glatzköpfe, habe nichts gegen Hängebrüste. Schönheit – was ist das schon?“ Aufgezeichnet von Arno Luik

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