: Wohin die Reise geht
■ Gesamtmetall zeigt die neue Arbeitgeberpolitik
Um es gleich vorweg zu sagen: Ganz so schnell werden die Flächentarifverträge nicht entwertet werden können. Nicht so schnell und nicht so einfach, wie es Werner Stumpfes Vorschlag gestern suggerierte. Denn viele Metall- Betriebe haben kein Interesse daran, Löhne künftig nur noch per Hauskonflikt festzulegen. Und es gibt immer noch rechtliche Sperren, wenn ein Unternehmen einen tarifgebundenen Arbeitgeberverband verläßt. Für die Tarifverträge gilt dann noch eine begrenzte sogenannte „Nachwirkung“. Trotzdem weist Stumpfe in die Zukunft. Er läßt ahnen, wohin die Reise geht. Und das ist das Bedrückende. Der Geschäftsführer von Gesamtmetall schlug erstmalig vor, alternative Metall- Verbände zu gründen, die keiner Flächentarifbildung mehr unterliegen. Firmen, die sich nicht mehr an Flächentarife halten wollen, sollen in diese Verbände wechseln dürfen. Und bekämen dort Beratung, wie sie am besten ihre eigenen Hausvereinbarungen kochen. Dieser Vorschlag soll nach innen wirken. Er ist ein Signal an die murrende Mitgliedschaft: Wir tun was für euch! Eine Art ADAC für Metall-Unternehmen unter den Fittichen von Gesamtmetall. Das wäre ein Rettungsanker für die krisengeschüttelte Organisation in einer Zeit, in der immer mehr Betriebe mehr oder minder heimlich aus dem Flächentarif fliehen.
Die Stumpfe-Rede, abgesprochen mit den Dachverbänden BDI und BDA, ist aber auch ein medialer Gegenschlag auf die IG Metall, deren Chef Zwickel vor fünf Monaten mit seinem Bündnis-für-Arbeit-Vorschlag in den Medien glänzte. Stumpfe macht deutlich, wie die Kräfteverhältnisse immer bleiben werden: Die Arbeitgeber haben die Jobs, nicht die Gewerkschaften.
Deshalb hat er auch recht mit der Aussage, das Bündnis für Arbeit sei tot. Es gibt kein Bündnis für Arbeit zwischen Staat, Unternehmern und Gewerkschaften. Statt dessen bleiben den Beschäftigten nur „Bündnisse der Arbeitenden“. Betriebsvereinbarungen, in denen Belegschaften sich entschließen müssen, auf Lohn oder Zuschläge zu verzichten, um Jobs zu retten. Das sind die „Bündnisse“ von heute. Erweiterte Fluchtmöglichkeiten der Unternehmer aus dem Flächentarif – das ist die dazugehörige Arbeitgeberpolitik von morgen. Gesamtmetall hat das klargestellt. Barbara Dribbusch
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