: 77 Kurden „präventiv“ hinter Gittern
■ Am Vortag der Demonstrationen zum kurdischen Neujahrsfest Newroz gab es Festnahmen in Baden-Württemberg, Straßenkontrollen und Veranstaltungsverbote
Berlin (taz) – Ob und wann die Bundesregierung das Ausländerrecht verschärfen will, ist weiterhin unklar. Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) weiß nach eigenem Bekunden immer noch nicht, ob er den Unionsforderungen zustimmen soll. Erst will er noch den Verlauf der angekündigten Demonstrationen zum heutigen kurdischen Newroz-Fest abwarten. Derzeit sehe er keine Notwendigkeit, im Ausländergesetz einen Paragraphen einzuführen, der die Ausweisung beim Tatbestand des einfachen Landfriedensbruchs zwingend vorschreibt. Innenminister Manfred Kanther (CDU) widersprach sofort. Ihm komme es „vor allem darauf an, straffällige Ausländer schneller als bisher des Landes verweisen zu können“. Vorauseilend sicherte SPD-Fraktionsvorsitzender Rudolf Scharping zu, seine Fraktion werde „notwendige gesetzgeberische Maßnahmen unterstützen“.
Mit Blick auf das heutige Neujahrsfest sind viele der „PKK-verdächtigen“ Veranstaltungen verboten worden, so wie es Innenminister Kanther seinen Länderkollegen nahegelegt hatte. In Baden-Württemberg wurden gestern 77 Menschen in Haft genommen. Man habe sie als „PKK-Rädelsführer“ in vorbeugenden Gewahrsam genommen, weil sie sich früher bei verbotenen Kundgebungen als „Aktivisten hervorgetan“ hätten, sagte Innenminister Frieder Birzel (SPD). Er wolle der PKK die Vorbereitungen für mögliche Kundgebungen erschweren und kündigte an, seine Polizei werde „konsequent gegen Gewalttäter einschreiten“. Beamte kontrollierten schon gestern verstärkt die Zufahrtswege zu einzelnen Städten.
Unterdessen wurde in Hamburg der Prozeß gegen drei mutmaßliche PKK- Mitglieder eröffnet. Zwei Frauen und einem Mann wird vorgeworfen, sich an Aktionen und Anschlägen gegen türkische Einrichtungen beteiligt zu haben. Unter anderem wird ihnen versuchter Mord zur Last gelegt. Politiker der Bündnisgrünen und auch die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), sprachen sich erneut gegen Veranstaltungsverbote und Gesetzesverschärfungen aus. roga
Seiten 4 und 8, Essay Seite 10
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