: „Hier wird man ordentlich genudelt“
Wie die Löwen kämpfen zwei Parteien in Rheinland-Pfalz. Die FDP will Juniorpartner in der Sozi-Regierung bleiben, die Grünen wollen es endlich werden ■ Aus Mainz Klaus-Peter Klingelschmitt
Nach drei Wochen intensivstem Wahlkampf in Rheinland-Pfalz, so ein aufgekratzter Joschka Fischer (MdB) in Trier, verstehe er wenigstens, warum sich der Kanzler permanent mit Gewichtsproblemen plage: „Hier wird man ordentlich genudelt: mit Saumagen und Sauerkraut, mit Bratwurst und Pfälzer Wein.“ Doch der gelegentlich als „Macho“ apostrophierte Fischer füllte nicht nur seinen inzwischen gewaltigen Bauch, sondern – zum Nutzen und Frommen der vier Spitzenkandidatinnen der Bündnisgrünen – auch die Turnhallen und Bürgerhäuser des Landes.
Der Wahlkampf ist zu Ende. Die WahlkämpferInnen lecken ihre Wunden. Die tiefsten haben sich FDP und Bündnisgrüne beim Gerangel um die Rolle des Juniorpartners im Kabinett des noch amtierenden und wohl auch nächsten Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) geschlagen. Die FDP kämpft im letzten Bundesland, in dem die Partei noch in der Regierungsverantwortung sitzt, um das politische Überleben: „Mit ganz, ganz harten Bandagen“, so Angelika Wilmen, Pressereferentin beim Landesvorstand der Bündnisgrünen, larmoyant. Tatsächlich wurde Rainer Brüderle, Landesvorsitzender der FDP und amtierender Wirtschaftsminister, nicht müde, vor der Machtübernahme der „grünen Funktionäre“, der „Jobkiller“ und „Steinzeitpolitiker“ zu warnen. Die Bündnisgrünen warfen Brüderle im Gegenzug und nach Vorlage einer akribischen (Ab-)Rechung vor, der eigentliche „Jobkiller“ im Lande zu sein. Brüderle trage die Hauptschuld an der anhaltenden Misere auf dem Arbeitsmarkt in Rheinland-Pfalz: „160.000 Arbeitslose nach neun Jahren Brüderle sind eine wahrhaft erschreckende Bilanz und ein hoher Preis für die eklatanten Fehleinschätzungen des Herrn Brüderle.“
Der von FDP und Bündnisgrünen heftig umworbene Beck hielt sich dagegen aus allem Parteiengezänk heraus und spielte bis zum Schluß den gütigen Landesvater: Beck mit Kindern beim Malen mit Fingerfarben, Becks Konterfei vor dem idyllischen Rheingraben, Beck im Rennwagen: „Das Land – der Ministerpräsident“.
Für alle Fälle lobt Beck schon heftig die Grünen
In den Rennwagen setzte sich Beck demonstrativ, weil die Grünen – ihr größter Fehler im Wahlkampf – den Nürburgring dichtmachen wollten. Ein Sturm der Entrüstung brach über sie herein. Und Brüderle stand prompt an der Spitze der „Schumi-Protestbewegung“.
Doch so ganz scheint Beck dem Stehvermögen der FDP, mit der er wieder koalieren möchte, nicht mehr zu trauen. Über den Klee lobte der Ministerpräsident in der vergangenen Woche überraschend die Oppositionsarbeit der Bündnisgrünen. „Konsequent, hartnäckig und mit Sachverstand ausgestattet“, hätten die sich auf den Oppositionsbänken profiliert. Eine unerwartete Liebeserklärung an die Adresse der Bündnisgrünen mit Blick auf die letzten Umfrageergebnisse? Oder nur ein gezielter Seitenhieb auf den – mit der Angst im Nacken – tollkühn gewordenen Brüderle? Der hatte in der vergangenen Woche tief in die Wahlkampf-Munitionskiste gegriffen und Sprengsätze gegen das drohende „rot-grüne Chaos“ gezündet, das dem Land drohe, wenn die FDP tatsächlich in der Versenkung verschwinden sollte. Das ist Beck offenbar sauer aufgestoßen. Und Brüderle beeilte sich zu erklären, daß der mit seiner „Warnung“ vor dem „rot-grünen Chaos“ eigentlich nur die SPD vor den Grünen habe warnen wollen.
Die professionellen Auguren gehen davon aus, daß sich die beiden großen Parteien ein Kopf-an- Kopf-Rennen liefern werden. Johannes Gerster, Spitzenkandidat der Union, hat sich im Wahlkampf abgestrampelt und seine Partei offenbar wieder an den für die SPD prognostizierten Wert (43 Prozent) heranführen können. Doch noch immer wollen die meisten WählerInnen wieder den Genossen Beck auf dem Ministerpräsidentensessel sehen. Und nicht den „kleinen Dicken mit der scharfen Zunge“ (Bündnisgrüne) von der Union. Entscheiden werden die Wahl also die Stimmenanteile der kleinen Parteien. Sollte die FDP scheitern, ist ohnehin (fast) alles klar. Dann wird Rheinland-Pfalz zum dritten Bundesland mit einer ordentlichen rot-grünen Koalition. Vor einer absoluten Mehrheit der SPD warnen – aus taktischen Gründen – nur die Bündnisgrünen. Und einer Großen Koalition hat Beck bereits eine klare Absage erteilt. Fischer kann dann öfter zum Saumagenessen nach Mainz kommen, denn auch der speckige Beck ist kein Kostverächter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen