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Einwanderernation schottet sich ab

■ Migration als Wahlkampfthema: US-Repräsentantenhaus verabschiedet scharfes Gesetz gegen illegale Einwanderung

Washington (wps/taz) – Wenige Tage vor der letzten US-Vorwahlrunde, bei der sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Kalifornien richtet, rückt das Thema Einwanderung in das Zentrum der politischen Debatte. Das republikanisch dominierte US-Repräsentantenhaus verabschiedete am Donnerstag mit 333 zu 87 Stimmen ein Gesetz zur Beschränkung der illegalen Einwanderung. Das Gesetz folgt den Bestimmungen der immigrationsfeindlichen kalifornischen „Proposition 187“, die die Wähler des Staates an der mexikanischen Grenze 1994 in einem Referendum angenommen hatten und die im Jahr darauf vom Obersten Gericht wegen Verfassungswidrigkeit auf Eis gelegt wurde.

Im ersten umfassenden Vorstoß des US-Kongresses zur Eindämmung der Einwanderung seit zehn Jahren ist unter anderem vorgesehen, 5.000 zusätzliche Grenzposten einzustellen. Die Abschiebung von illegalen Migranten wird leichter, die Strafen für ihre Einschleusung werden härter. Wer die Einwanderungsgesetze bricht, verliert dem Gesetz zufolge auf Lebzeiten das Recht auf legale Einreise in die USA.

Am kontroversesten sind Bestimmungen, die das Leben von bereits in den USA lebenden Illegalen direkt betreffen: So sollen illegale Einwanderer keine Wohlfahrtszahlungen vom Bund mehr erhalten – und da zum Beispiel Zahlungen für Minderjährige an die Eltern gehen, kann das Kinder treffen, die bereits US-Staatsbürger sind. Und ein bereits am Mittwoch mit 257 gegen 163 verabschiedeter Zusatz erlaubt es Bundesstaaten, illegalen Einwanderern den Zugang zu öffentlichen Schulen zu verbieten.

„Dies ist ein historisher Moment“, sagte der republikanische Abgeordnete Elton Gallegly aus Kalifornien, der den letztgenannten Zusatz einbrachte. Und der Republikanerführer im Repräsentantenhaus, Newt Gingrich, faßte die Stimmung seiner Fraktion zusammen: „Wir dürfen nicht die Wohlfahrtshauptstadt der Welt sein.“

Die Verabschiedung des Gesetzes, auch mit vielen Stimmen der Demokraten, wurde dadurch möglich, daß Bestimmungen zur Beschränkung auch der legalen Einwanderung in einer separaten Abstimmung zuvor mehrheitlich abgelehnt wurden. Ursprünglich hatten die Republikaner die bisherige Quote für legale Einwanderer von jährlich etwa 775.000 Menschen auf 700.000 pro Jahr für die nächsten fünf Jahre und danach auf unter 600.000 senken wollen. Eine Allianz aus freihandelstreuen Republikanern und liberalen Demokraten lehnte dies ab. „Wir sind eine Nation von Einwanderern“, erinnerte der Republikaner Sam Brownback aus Kansas das US- Parlament. „Der Kongreß sollte diese stolze Tradition erhalten, nicht gefährden.“

Doch solche Stimmen sind zur Zeit selten, wenn auch unklar ist, ob der Senat sich dem Votum des Repräsentantenhauses anschließt. Erst am Dienstag entschied ein Bundesgericht einstimmig, daß die Praxis der Universität von Texas, Nichtweißen niedrigere Aufnahmekriterien als Weißen zu gewähren, illegal sei. Der Richterspruch war die erste Anwendung des Urteils vom Obersten Gericht aus dem vergangenen Jahr, das die Legalität sogenannter affirmative action-Programme zugunsten von Minderheiten einschränkte.

Auch im Vorwahlkampf von Kalifornien spielen die Themen Einwanderung und Rassendiskriminierung eine zentrale Rolle. Kaliforniens Bevölkerung besteht zwar zu einem Viertel aus Einwanderern, aber sie hat mit der Annahme der „Proposition 187“ 1994 ihre Aversion gegen illegale Einwanderung deutlich gemacht. Dole, in dessen Wahlkampfstab der kalifornische Gouverneur Pete Wilson sitzt, machte sich schon ganz am Anfang seines Wahlkampfes die Forderung zu eigen, daß sich die USA Englisch als einzige Amtssprache geben sollten. Der Rechtsaußen Pat Buchanan will fünf Jahre lang Einwanderung in die USA komplett verbieten. Mit einer anderen neuen Forderung scheint sich Buchanan komplett außerhalb der US-Staatsverfassung zu stellen: Er verlangt, daß Bundesrichter von der Regierung gefeuert werden sollen, wenn sie Entscheidungen der Kongreßmehrheit für verfassungswidrig erklären. D. J.

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