piwik no script img

„Intervenieren Sie unverzüglich...!“

■ Wie Sachsens Landesregierung von einem Schweizer übers Ohr gehauen wurde: Subventionsbetrug in Lippendorf

Dresden (taz) – Sachsens teuerste Investitionsruine steht im Süden Leipzigs: Das Metallurgieunternehmen Werkstoff-Union Lippendorf GmbH muß zum 1. April schließen. 285 Millionen Mark wurden in den Sand gesetzt, davon 130 Millionen Mark von Bund und Land – und ein handfester Skandal steht ins Haus. Denn wegen dieser Fördergelder für den Investor, den Vorstandschef der Schweizer Intercept AG Schaffhausen, hatte im Oktober 1994 die EU ein Prüfverfahren eingeleitet. Anfang März beantragte das Unternehmen die Gesamtvollstreckung, das Dresdner Wirtschaftsministerium übergab die Unterlagen der Staatsanwaltschaft – mit dem Verdacht des Subventionsbetrugs.

Ein bißchen spät. Obwohl Bonn und Dresden seit Sommer 1994 Bescheid wußten, stoppten sie lediglich die Auszahlung der noch ausstehenden Gelder. „Damals hätte es genügend Korrekturmöglichkeiten gegeben“, sagt der Vorsitzende des Finanzausschusses im Sächsischen Landtag. Schlimmer noch: Brüssel hatte im Amtsblatt der EU vom 27. Oktober 1995 daran erinnert, daß die Beihilfen „vom Begünstigten zurückgefordert werden können“ – mit Zinsen.

Nichts geschah. Vergangene Woche erklärte Sachsens Finanzminister Georg Milbradt (CDU) freizügig: „Ich schreibe das Geld ab.“ Er hatte 46 Millionen Mark versprochen, davon 30 Millionen ausgezahlt. Auf rund 50 Millionen summieren sich Ausfallbürgschaften und Steuerbonus – ein Verlust von 80 Millionen Mark.

Sachsens Wirtschaftsministerium behauptet, es sei getäuscht worden. „Entgegen ihrer Aussage“ von 1993 habe die Werkstoff-Union sogenannte EGKS- Produkte hergestellt, die unter das Stahlsubventionsverbot der EU fallen. Doch in Lindlar bei Köln, beim Edelstahlwerk Schmidt& Clemens, wußte der Geschäftsführer schon lange, wo der Stahl gehärtet wird. Er hatte die Brüsseler Ermittler auf die Spur gesetzt und brauchte dazu nur die Lippendorfer Eigenwerbung und Zeitungen zu studieren. „Da gab es nichts Geheimnisvolles“, wundert er sich heute. Schon im August 1994 hatte er so ein Werbeheftchen nach Bonn geschickt – an den Wirtschaftsminister. Und als in der Presse der bevorstehende 1. Abstich in Lippendorf gefeiert wurde, nicht ohne zu verschweigen, daß Eile geboten sei, damit die Landesmittel nicht verfallen, bat der Stahlwerkschef den Minister: „Intervenieren Sie unverzüglich!“ Das war am 21. Dezember 1994 gewesen... Detlef Krell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen