Entsorgung der Illusionen

Erstmals seit Jahren wächst die Müll- und Recyclingbranche nur relativ langsam. Grund dafür sind die noch unklaren Vorgaben aus Bonn  ■ Aus Köln Ralf Köpke

Der Krach in den Kölner Messehallen ist ohrenbetäubend: Schredderanlagen und Ballenpressen rattern und zischen. Gerne sähen die Aussteller auf der „Entsorga“, der Abfall- und Recyclingmesse in Köln, sie im realen Einsatz. Doch ihre Auftragsbücher sind längst nicht mehr so gut gefüllt wie in den Vorjahren. Die Euphorie der Branche, die seit Beginn der neunziger Jahre mit zweistelligen Umsatz- und (meist auch) Gewinnsprüngen verwöhnt wurde, ist verflogen. Statt dessen bestimmen Überkapazitäten und Preiskampf die Szene. Die Ursache ist für Dieter Fuchs, Prokurist der Ravensburger Maschinenfabrik Bezner, schnell ausgemacht: „Wir warten alle darauf, was die Bonner Abfallpolitik für uns bringt.“

Mit der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (Tasi), der Novelle der Verpackungsverordnung sowie dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, das am 7. Oktober in Kraft treten soll, gibt es gleich drei wegweisende Gesetzes- und Verordnungspakete, über die es derzeit zwischen Industrie, Politik und Entsorgungswirtschaft eine Dauerdiskussion gibt. Klar ist, daß mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz vor allem die Industrie stärker bei der Beseitigung ihres Mülls und der Verwertung der Wertstoffe in die Pflicht genommen werden soll. Doch wie das konkret aussehen soll, ist noch nicht ausdiskutiert. Auch bei den Verordnungen für die Verwertung von Altpapier, Bioabfällen, Kompost oder Elektronikschrott hat Umweltministerin Angela Merkel ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht.

Die Folge: Bestellungen werden geschoben. Hellmut Trienekens, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE), spricht von einem Investitionsstau von 100 Milliarden Mark. Für dieses Jahr rechnet der BDE denn auch nur mit einem Umsatzplus von 3,5 bis 5,5 Prozent auf 44 Milliarden Mark. Addiert man zu den Umsätzen der im BDE organisierten Mittelstandsunternehmen die der kommunalen Betriebe, der Großindustrie und des Altpapier- und Schrotthandels hinzu, bewegt die Branche 81 Milliarden Mark.

Immerhin – organisatorisch haben sich die Entsorger für das anbrechende Kreislaufwirtschafts- Zeitalter schon vorbereitet. Trienekens, Edelhoff oder Babcock haben eigene Tochterunternehmen gegründet, die das „Stoffstrom-Management“ übernehmen sollen. Wie sich Mengen und Preise der Wertstoffe entwickeln, will aber niemand prognostizieren.

Dieses Zukunftsgeschäft will Werner Schmidt nicht „allein den Großen und den Energieversorgern überlassen“. Unter seiner Regie haben sich acht mittelständische Entsorger zur KrW, der Kreislaufwirtschafts- und Abfallverwertungs-Gesellschaft, zusammengeschlossen. Konzentrieren will sich die KrW vorerst auf die Automobilbranche. Geschäftsführer Schmidt sagt optimistisch: „Wir haben bereits erste Verträge abgeschlossen. Wir warten nur noch auf das Startsignal aus Bonn.“

Auf Signale aus Bonn wartet auch Bärbel Höhn, Nordrhein- Westfalens grüne Umweltministerin. Statt den Restmüll verbrennen zu lassen, favorisiert sie Biologische-Mechanische Anlagen (BMA). Mit dieser Technik soll das Volumen des zu deponierenden Mülls um 40 Prozent reduziert werden. Da die Tasi aber vorschreibt, daß ab 2005 nur noch Müll mit einem Organikanteil von maximal fünf Prozent auf die Deponien gebracht werden darf, gerät die BMA-Technik ins Abseits – im Gegensatz zu den Müllöfen kann sie die Glühverlust-Vorgabe von fünf Prozent nicht erfüllen.

Hans-Peter Haag, Vertriebsleiter des Maschinenbauers Sutco GmbH, befürchtet deshalb das „Aus für eine Zukunftstechnologie“. Unter den rund 1.300 Messeausstellern wirbt das mittelständische Unternehmen aus Bergisch- Gladbach als eines von nur dreien für das biologisch-mechanische Verfahren. Wie Bärbel Höhn setzt auch Haag auf eine Änderung der Glühverlust-Regelung. Gleiches gilt für die privaten Entsorger. So hat die Firma Trienekens, die im Kreis Düren Nordrhein-Westfalens Pilotanlage betreibt, die BMA-Konzeption geändert. Sprecherin Sybille Sander: „Wir werden die Anlage umrüsten, um damit besser Reststoffe zu erfassen.“