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Tarifparteien üben sich in Reanimation

■ Nach der Textil- hat auch die Stahlindustrie ihr "Bündnis für Arbeit". 100.000 Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen sind gesichert. Bonner Politiker: Weitermachen!

Hamburg/Düsseldorf (AFP/ dpa) – Gerade totgesagt, erwacht das „Bündnis für Arbeit“ wieder zum Leben: Die IG Metall und die Arbeitgeber der Stahlindustrie haben sich in der Nacht zum Samstag in Gelsenkirchen auf ein Tarifpaket geeinigt, das in Nordrhein- Westfalen, Niedersachsen und Bremen rund 100.000 Arbeitsplätze sichern soll. Nach der Textilindustrie ist das die zweite Einigung in einer Woche.

Politiker der Bonner Koalition begrüßten am Wochenende die Einigung und appellierten an die Tarifparteien, an ihren Bemühungen festzuhalten. Der künftige Präsident von Gesamtmetall, Werner Stumpfe, der den Pakt schon totgesagt hatte, nannte die Textileinigung den „richtigen Weg“. Dagegen forderte der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) Korrekturen.

Mit dem Abschluß in der Stahlindustrie wird der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung von 1994 verlängert und erweitert. Neu sind ein Teilzeitanspruch vom 50. Lebensjahr an, Arbeitszeitkonten sowie ein Freizeitausgleich ab der 17. Mehrarbeitsstunde im Monat. Bei Einbrüchen der Auftragslage können Betriebe die Arbeitszeit um zwei Stunden senken. Für Auszubildende gibt es eine befristete Übernahmegarantie.

Außerdem einigten sich am Wochenende in Düsseldorf die nordrhein-westfälische Landesregierung, die IG Metall und die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie auf ein Paket zur Sicherung von 40.000 Arbeitsplätzen. Die Landesregierung sagte flankierende Maßnahmen unter anderem bei der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen zu.

„Das Bündnis für Arbeit lebt“, kommentierte Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU). Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) erklärte, angesichts von 4,3 Millionen Arbeitslosen sei jeder Bündnispartner verpflichtet, der Beschäftigung Vorrang einzuräumen. „Destruktive Kritik und Miesmacherei“ seien unverantwortlich. Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine warnte die Arbeitgeberverbände vor einer Blockadepolitik. „Das Bündnis für Arbeit darf nicht scheitern.“

Stumpfe nannte das Textilbündnis ein mögliches Vorbild für die Metallbranche. Danach können Betriebe Abstriche bei tariflichen Leistungen machen, wenn sie dafür Jobgarantien geben. Der Weg zu mehr Beschäftigung führe über Kostenentlastungen, sagte er der dpa. Seine Aussage, das Bündnis sei „tot“, habe sich auf das IG-Metall-Modell bezogen, betonte Stumpfe. Danach soll die Industrie in diesem Jahr rund 100.000 Stellen schaffen. Im Gegenzug will die IG Metall 1997 moderaten Tarifabschlüssen zustimmen.

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