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Kuhentsorgung kostet tausend Pfund

Britische Bauern fordern Schadensersatz für zwangsgeschlachtete Rinder. Noch wird diskutiert, welche Tiere als Gesundheitsgefahr für den Menschen gelten sollen. Auch Schafe verdächtig  ■ Von Ralf Sotscheck

Nach McDonald's hat gestern auch die Fast-Food- Kette Wimpy Hamburger aus ihren 270 britischen Filialen verbannt. Wimpy-Chef Max Woolfenden sagte, es werde bei ihm so lange keine Hackfleischbrötchen geben, bis man „alternative Bezugsquellen“ aufgetan habe. Burger King „beobachtet die Situation“ noch.

Die britische Fleischindustrie überlegt unterdessen, wie sie ihr ramponiertes Image langfristig wieder aufpolieren kann. Die Regierung hatte vorige Woche zugeben müssen, daß zwischen dem Rinderwahnsinn (BSE) und der beim Menschen auftretenden Creutzfeldt-Jakob-Krankheit eine Verbindung besteht. Die Bauern haben sich mit der Tötung eines Großteils ihrer Herden abgefunden. Sie verlangen von der Regierung vollen Schadensersatz.

Die Labour Party hat vorgeschlagen, alle Rinder zu töten, die vor 1990 geboren wurden. In dem Jahr trat das Verbot in Kraft, Rinder mit Tierkörpermehl zu füttern. Schweinen und Hühnern hat man das Zeug freilich bis letzte Woche verabreicht. Douglas Latto vom britischen Rat für Sicherheit glaubt deshalb, daß möglicherweise auch Kühen trotz des Verbots Kraftfutter gegeben worden ist. „Die Tötung der eine Millionen älteren Rinder reicht nicht aus, um BSE auszumerzen“, sagt er.

Die Briten haben Erfahrung auf dem Gebiet großangelegter Tiervernichtung: Vor knapp 30 Jahren hat man 442.000 Rinder wegen einer Epidemie von Maul- und Klauenseuche getötet. Damals mußte die Regierung 27 Millionen Pfund Schadensersatz hinblättern. So billig wird sie diesmal nicht wegkommen. Schadensersatz und Verbrennung kosten rund tausend Pfund pro Tier.

Professor Richard Lacey, Mikrobiologe an der Uni Leeds, sagt, daß es sinnlos sei, die Rinder zu töten, wenn man dann neue Rinder auf dem alten Boden züchte. „Der Erreger ist im Urin und deshalb auch auf den Viehweiden.“ Offenbar wußte das auch die britische Regierung schon lange: Auf Rinderweiden müssen seit Jahren die Teile abgezäunt werden, auf denen zuvor Truthähne gehalten wurden. „Man begründete das damit, daß die Truthahnausscheidungen den Erreger enthalten könnten, wenn sie mit Tierkörpermehl gefüttert wurden“, sagt der Bauer Geoffrey Nicholls aus Liverpool.

Zweifel sind angebracht, wenn die Politiker auf die drastisch gesunkenen BSE-Zahlen in den vergangenen zwei Jahren hinweisen. Im Januar 1994 hat die Regierung die Schadensersatzzahlungen bei BSE-Fällen gesenkt: Seitdem erhalten Bauern nur noch den Preis, den sie für eine ältere Kuh erzielt hätten – im Vergleich zu einem Jungtier ein Unterschied von 500 Mark. Latto sagte, daß viele Bauern deshalb ihre Kühe umgehend an Schlachthäuser verkauft haben, wenn sie erste Anzeichen des Rinderwahns zeigten.

Inzwischen überlegen die Regierungsexperten, ob Schafinnereien ebenfalls aus der Nahrungskette entfernt werden müssen. Bei Schafen tritt seit 250 Jahren eine ähnliche Krankheit auf: Scrapie, die Traberkrankheit. Tierkörpermehl aus infizierten Schafen ist wahrscheinlich für den Rinderwahnsinn verantwortlich. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, daß sich Menschen durch den Verzehr des Scrapieerregers nicht anstecken können. Versuche haben jedoch ergeben, daß Schafe, die mit BSE-infiziertem Material gefüttert wurden, eine neue gefährlichere Enzephalopathie entwickelten. Das Heimtückische daran: Der „Schafswahnsinn“ unterscheidet sich in den Symptomen nicht von Scrapie.

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