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„Mein Gott, ich hasse Simply Red!“

■ Nick Hornby liefert mit „High Fidelity“ eine präzise und lustige Studie des Homo vinylus

Die Gesetze der Subkultur sind schon gnadenlos, und wenn man sie bis zur letzten Konsequenz befolgt, dann ist man irgendwann arm und einsam unter dem hollow sky. Welche Band, welchen Film, welche Mode man zu welcher Zeit warum gut findet, wann nicht mehr und wann wieder, dieses Mikadospiel der Geschmacksentscheidungen reguliert Freundschaften, tödlichen Haß, Hochmut und euphorische Momente unvorstellbaren Einsseins. Das System, daß sich Rob, Barry und Dick in Robs Plattenladen für diese kontinuierliche Abgrenzung gegen die Menschen ohne korrekten Popansatz ausgedacht haben, ist die Liste. Und der flaue Kundenverkehr läßt viel Zeit dafür, die „Besten Fünf“ von TV-Serienfolgen, ersten Titeln auf Folkplatten zwischen 1967 und 76 oder von den gräßlichsten Soul-Coverversionen aufzustellen.

Daß das ewige Spiel darüber, was „in“ und was „out“ ist, auf Dauer einer persönlichen Ver-kreuzworträtselung gleichkommt, wo Nichtigkeiten zu Wichtigkeiten und Regeln zu Fesseln werden, begreift Rob erst, als seine Freundin Laura ihn verläßt. Ertaubt zwischen ewiger Popmelancholie und männlicher Selbstbezogenheit zieht sie zwischen Ekel und Trauer einen Schlußstrich.

Rob Fle-ming, der Ich-Erzähler, macht sich, schwerer geschockt von diesem Abgang, als er es sich eingestehen will, auf die Suche nach den verpaßten Chancen seines Lebens – allesamt Mädchen, mit denen es nicht so gelaufen ist, wie Rob es sich vorgestellt hatte. Über den langen Weg der persönlichen Begegnungen mit seiner Vergangenheit erfährt Rob dann allerdings eine ganz unverhoffte Weisheit: Das innere Vakuum befördert einen nur dann aus dem Gefängnis des eigenen Körpers heraus, wenn man die Fenster öffnet – und das entpuppt sich nach Jahren der eingefahrenen Riten und zensierten Abschweifungenals höchst schwierig.

Der britische Autor Nick Hornby beschreibt in seinem Debüt-Roman High Fidelity mit einer überaus unterhaltsamen Akribie, wie die Windgeschwindigkeiten der Leidenschaften aus einem Vorstadtflüchtling mit starkem Ego einen Musikgestrandeten machen, dessen geistige Kondition immerhin dazu reicht, seine Situation zu reflektieren. Und das geschieht in der selbstironisch-unverkrampften Weise, die Festlandseuropäer als „britischen Humor“ bewundern.

Rob beobachtet sich genau, analysiert sich trocken und tut dann trotzdem meist das, was sein Begehren ihm diktiert. Dabei entwickelt er dann allerdings genug Charme, daß schließlich andere ihm dorthin helfen, wo er wirklich sein möchte. Da Hornby keinen epochalen Schicksalsroman schreiben wollte und keine Anhänger der germanisch-französischen Meinung ist, nur ein tragisches Ende edelt Prosa zu Literatur, ist hier einer der leichtfüßigsten Zeitromane seit langem entstanden. Daß sich die Klugheit des Ich-Erzählers nicht immer mit der Figur in Einklang bringen läßt, vernachlässigt man besser. Denn wäre der Autor nicht schlauer als sein Held, High Fidelity wäre ein ödes Indsider-Buch geworden.

Till Briegleb

Nick Hornby liest heute abend, 21 Uhr, Mojo-Club; Eintritt frei

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